Mittwochvormittag können die Fans das Konzert kaum erwarten. Etliche haben die Nacht vor der Stadthalle verbracht

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Fans lieferten sich vor dem Konzert in der Wiener Stadthalle einen Kreischmarathon

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Wien – Zuerst sind es nur vereinzelte Schreie aus der Menge. "Bill!", "Tom!" Bis sie sich plötzlich zu einem ohrenbetäubenden Gekreische in immer höheren Tonlagen verdichten. Nicht ohne Grund: Unmittelbar vor den Absperrungen, hinter denen sich über 300 Tokio-Hotel-Fans drängen, wendet ein weißer LKW mit der goldenen Aufschrift "Rock and Roll Trucking", der Bühnenelemente zur Stadthalle liefert – wie die gut informierten Teenager in der langen Schlange vor dem Eingang der Halle F wissen.

Das erstes Konzert

"Vorher haben wir einen Bodyguard von Tokio Hotel am Dach gesehen!", erzählt die 13-jährige Jasmin vom letzten Höhepunkt des Schreimarathons. Schon am Dienstag ist Jasmin mit einer Freundin aus Braunau angereist, seit 15 Uhr sichert sie sich ihren Platz ganz an der Spitze der Warteschlange von großteils elf bis 15-jährigen Mädels – jetzt ist es Mittwochvormittag und noch sieben Stunden bis zum Einlass. Decken und Proviant haben sie mitgenommen, mehr als eine Stunde Schlaf war aber nicht drin. "Für Tokio Hotel tun wir alles", nimmt Jasmin das erschöpfende Stehen und Hocken, eingezwängt zwischen Menschen und Metallgittern, gern in Kauf. Schließlich ist es ihr erstes Konzert überhaupt und da will sie in der ersten Reihe stehen.

Aufforderungen zu Liebesdiensten

Im Gegensatz zu Evelyn, Julia, Ingrid und Claudia, die schon beim letzten Konzert in Wien im Vorjahr dabei waren. Seit sieben Uhr früh stehen die 14- und 15-Jährigen vor der Stadthalle in der Hoffnung "auf ein einfach geiles Konzert" – und haben dabei schon ein paar Freundschaften geschlossen. "Österreich hat euch vermisst", steht nebst expliziter Aufforderungen zu Liebesdiensten auf ihrem Transparent. Und: "Tom ich liebe dich mein Engel."

Security-Personal passt auf

Die Zeit vertreiben sich die Mädchen damit, ihre Stimme zu trainieren ("eins, zwei, drei, ahh") und Lieder ihrer Herzensbrecher, begleitet von Musik aus dem Handy, zu trällern. Burschen sind keine in Sicht. Einige Mädchen sitzen auf dem Boden, lösen Rätsel, andere kauern zusammengerollt auf Campingmatten und versuchen zu schlafen. Dazwischen verteilen Sanitäter Becher mit Wasser und Tee, das Security-Personal passt auf, dass sich niemand vordrängelt und hält die Kids mit Schmäh bei Laune. "Am Anfang haben sie sich schon ziemlich zusammengequetscht", erzählt eine Security. "Manche sind schon seit drei Tagen hier."

Aufgeregte Fans

Insgesamt herrscht freudige Nervosität vor, Gedrängel gibt es (noch) keines, nur wellenartiges Schreien: Ein Gärtner fährt mit seinen Gerätschaften vorbei – kreisch!; eine Gruppe jugendlicher "Anti-Fans" geht vorbei und ruft den Mädchen "Bill ist scheiße" zu – buh! Bis am Ende wieder nur noch "Wir wollen Tokio Hotel", im Chor skandiert, übrig bleibt. Was dem Tourmanager offensichtlich Angst macht. Mit einem "Verlassen Sie bitte den Platz, sie regen die Mädchen nur unnötig auf" werden wir zum Weggehen aufgefordert. (DER STANDARD Printausgabe 12.5.2007)