Wenn der eigene Körper zum Feind wird: Rheuma zerstört sukzessive die Gelenke.

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Am Morgen sind die Beschwerden am schlimmsten. Die Finger sind steif und machen jeden Handgriff zu einem schmerzhaften Kraftakt. Die Gelenke sind entzündet und geschwollen. Tatsächlich vorteilhaft für den Betroffenen ist, wenn sich die Symptome einer chronischen Polyarthritis so offensichtlich präsentieren.

Nicht wie im Lehrbuch

"Das Problem bei chronischer Polyarthritis ist, dass sie sich in der Frühphase oft nicht so wie im Lehrbuch manifestiert", berichtet Burkhard Leeb, Abteilungsvorstand am Niederösterreichischen Zentrum für Rheumatologie in Stockerau und Präsident der Gesellschaft für Rheumatologie und Rehabilitation (ÖGR). Anfangs kann nur ein einziges Gelenk betroffen sein, und die Schwellung verschwindet, so wie sie gekommen ist. Oft werden Diagnosen dann erst Jahre später gestellt.

Früherkennung ist allerdings wichtig, optimalerweise wird die Diagnose vom Rheumatologen erstellt. Österreich hat davon allerdings viel zu wenige, im Burgenland und in Vorarlberg gibt es nach wie vor keinen einzigen niedergelassenen Internisten mit dem Zusatzfach Rheumatologie. "Von den niedergelassenen Rheumatologen im restlichen Österreich haben 98 Prozent keinen Kassenvertrag", weiß Daniela Loisl, Präsidentin der Österreichischen Rheumaliga.

Diagnose hat Priorität

Allgemeinmediziner können über ein Screening mit einem einfachen Bluttest zu einer Diagnose und damit zur Früherkennung kommen. Findet sich im Blut Anti-CCP (cyclisch citrulliniertes Peptid) oder ein positiver Rheumafaktor, muss, solange der Betroffene beschwerdefrei ist, erst einmal nicht therapiert werden. "Die Parameter im Blut können der Erkrankung Jahre vorausgehen und geben nur über ein mögliches Erkrankungsrisiko Auskunft", erklärt Leeb.

Schwere Folgen

Ein Nichterkennen oder die Verharmlosung der Erkrankung ist aber folgenschwer. Ohne Therapie ist der Verlauf dramatisch und macht viele Polyarthritiker innerhalb weniger Jahre berufsunfähig. "Die Früherkennung ist das Um und Auf, denn die Zerstörung der Gelenke ist unwiderruflich und hat schon begonnen, wenn die ersten Schmerzen spürbar werden", betont Josef Smolen, Leiter der Klinischen Abteilung für Rheumatologie der Wiener Universitätsklinik und des Zentrums für rheumatische Erkrankungen im Krankenhaus Hietzing.

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Das Zauberwort in der Therapie lautet daher, die Krankheitssymptome frühestmöglich in den Griff zu bekommen, also eine Remission herbeizuführen. "Bei einem Drittel der Patienten gelingt heute ein Stillstand bei völliger Beschwerdefreiheit", berichtet Leeb und ist deshalb zuversichtlich, dass zerstörte Gelenke immer weniger zu sehen sein werden.

Medikamente

Verantwortlich für diesen sichtbaren Erfolg sind verschiedene neue Medikamente. 30 bis 40 Prozent der Patienten reagieren nach wie vor auf traditionelle Substanzen sehr gut. Für jene, die auf Basistherapeutika wie Methotrexat, Leflunomid oder Sulfasalazin nicht ansprechen, gibt es seit einigen Jahren Biologika, also gentechnisch hergestellte Pharmzeutika. Drei verschiedene Tumornekrosefaktor- (TNF)-Blocker und Rituximab (MabThera) sind derzeit in Österreich zugelassen. Smolen rechnet damit, dass es bis 2010 noch einige mehr werden. Heilung versprechen sie ebenfalls nicht. "Solange man die Ursachen der Erkrankung nicht kennt, wird man sie auch nicht heilen können", ergänzt Smolen. Eine permanent niedrige Krankheitsaktivität für alle Patienten hält er aber für sehr realistisch.

Feinbestimmung

Er selbst verwendet zur Messung der aktuellen Krankheitsaktivität im Verlauf der Erkrankung den DAI (Disease Activity Index). "Auf Basis einer Untersuchung der Gelenke durch den Arzt und der Patientenangaben wird ein Score von 0 bis 76 errechnet", erklärt der Wiener Spezialist. Bei einem Wert unter 2,8 schreitet die Erkrankung nicht voran, unter zehn ist die Krankheitsaktivität niedrig. Leeb hat für seine Studie zum The- ma Krankheitsaktivitätsmessungen ( Arthritis & Rheumatism , Vol. 53, No. 1, 15. Februar 2005, S. 56-60) 2006 ei- nen der Wyeth-Wissenschaftspreise der Gesellschaft für Rheumatologie und Rehabilitation erhalten. (DER STANDARD, Printausgabe, Regina Philipp, 10.4.2007)