Kurt Palm

Foto: Michaela Mandel
Am Palmsonntag wurde mir während der Frühmesse im Stephansdom schlagartig klar, weshalb Wilhelm Molterer nicht einmal den Anflug von schlechtem Gewissen haben muss, wenn er mit penetrant zur Schau gestellter Scheinheiligkeit eine Politik propagiert, die mit christlichen Grundsätzen überhaupt nichts mehr zu tun hat. Er braucht nämlich nur am Sonntag zur Messe zu gehen, und schon kann er am Montag wieder für Sozialabbau, Studiengebühren und Eurofighter eintreten, denn wie lautet das kollektiv vorgebrachte Schuldeingeständnis, das vorgetragen wird, bevor die Gemeinde Gott um Vergebung bittet? "Ich bekenne vor meinen Brüdern und Schwestern, dass ich Böses getan und Gutes unterlassen habe." Wenn er dann auch noch beichten geht, ist überhaupt alles in Butter, und am Ende – also ganz am Ende – kommt "Pater Willi" vielleicht sogar mit ein paar Jahren Fegefeuer davon.

Sehr praktisch, eine solche Religion.

Nicht ganz so leicht hat es in diesem Zusammenhang Alfred Gusenbauer, der sich die Absolution für seine Sünden – 8. Gebot: "Du sollst nicht lügen" – anderweitig besorgen muss. Aber wer soll sie ihm erteilen? Die Wählerinnen und Wähler werden nicht mehr mitspielen, und Doris Bures als Beichtmutter fällt wegen Befangenheit aus. Dabei hat für den "Sozialfighter" Gusenbauer alles so gut angefangen. Erinnern wir uns nur an den Wahlkampf im September letzten Jahres, als sich Gusenbauer auch in Ybbs an der Donau aufhielt, von wo er berichtete:

"Bei herrlichem Sonnenschein konnte ich viele Menschen persönlich begrüßen, die mich seit wirklich langer Zeit kennen und die genau wissen, dass ich das, was ich sage, auch halte. So habe ich der Musikkapelle St. Anton an der Jeßnitz, die zu wenig Geld hatte, um sich neue Instrumente zu kaufen, versprochen, dass ich ihr ein neues Instrument schenke. Und heute habe ich dieses Versprechen wahr gemacht."

Das war lange vor der Krautsuppendiät und den anstrengenden Nachhilfestunden, die der Bundeskanzler seit drei Monaten einmal in der Woche gibt, denn "was ich sage, halte ich auch." Leider verschwieg Gusenbauer einst in Ybbs, um welches Instrument es sich bei der großzügigen Spende gehandelt hat – ich vermute, es wird eine Triangel gewesen sein oder möglicherweise eine Maultrommel –, aber immerhin kann jetzt die Musikkapelle St. Anton an der Jeßnitz dem Bundeskanzler den Marsch blasen, wenn er ihr das nächste Mal einen Besuch abstattet.

Aber wie komme ich jetzt auf schnellstem Weg von St. Anton an der Jeßnitz nach Los Angeles, um Francis Ford Coppola zu seinem 68. Geburtstag am 7. April zu gratulieren? Versuchen wir es auf die brachiale Tour: Ihren Wahlkampf hat die SPÖ unter das Motto "Pures Napalm" (nicht "Bures Napalm") gestellt, und in Coppolas Meisterwerk Apocalypse Now sagt Robert Duvall als Colonel Bill Kilgore nach einem blutigen Gefecht während des Vietnamkriegs einmal: "Es gibt nichts auf der Welt, das so riecht wie Napalm. Ich liebe den Geruch von Napalm am Morgen. Es riecht nach Sieg." Ich hoffe, Sie akzeptieren diesen Umweg nach L.A. trotz des einen oder anderen Schlaglochs. (Kurt Palm/ ALBUM/ DER STANDARD, Printausgabe, 07./08.04.2007)