Bezugsquellen
z.B.: Arche-Noah, Adamah,
Bio-Betrieb Weisgram, Loimanns 45, 3874 Litschau

Foto: PhotoDisc

Noch ist Zeit, aber nicht mehr viel. Mitte bis Ende April müssen die Erdäpfel gelegt werden, im besten Fall hat der Boden dann schon mindestens sieben Grad: Damit sie sich nicht schrecken und verkühlen, die Guten. Eigentlich sollten die Knollen jetzt schon nicht zu hell und nicht zu warm in Kisten aufgebreitet mit vielen Äugelein den Austrieb vorüben. Aber treib einmal einer überhaupt die Sorten auf, die man haben will!

Erdäpfel, meingottna! meckern die Barbaren. Gibt's eh im Supermarkt jede Menge. Exakt. Jede Menge, und das in drei erbärmlichen, nachgerade konsumentenverdummenden Varianten: "Festkochend", "vorwiegend festkochend" und "mehlig" - und letztere auch nur, wenn man Glück hat, weil wirklich mehlige Erdäpfel werden langsam echt Mangelware. Für diejenigen, die der Handel für ganz deppert hält, schreibt er "geeignet für Salate" oder "Beilagen" auf die Tüten, als ob wir uns nicht mehr erinnern könnten, wie das funktioniert in der Küche mit Sigma, Ditta, Agria und Co., als ob wir nicht wüssten, woraus gute Erdäpfelsalate einerseits und woraus Erdäpfelknödel andererseits gekocht werden- dazwischen liegen selbstverständlich sortentechnische und kulinarische Welten.

60 Kilo Erdäpfel pro Jahr

Aber - es sagt uns ja keiner mehr, welche Sorte wo drin ist. Bewährte Küchenbegleiter, wie Sieglinde und Bintje zum Beispiel, sind so gut wie verschwunden. Bei Erdäpfeln speist man uns vielmehr mit diesen drei läppisch-vereinfachenden Unterscheidungen ab, während es vergleichsweise ungefähr dreihundert Yoghurtsorten samt Angaben deren molekularer Zusammensetzung gibt. Dabei essen wir hierzulande im Schnitt immerhin 60 Kilo Grundbirn pro Jahr, und in Österreich sind etwa 85 Erdäpfelsorten in die Sortenliste eingetragen. Aber wo - wo sind sie? Immerhin finden jährliche Kartoffelfachtagungen statt. In den daraus resultierenden Protokollen ist dann nachzulesen, worauf es ankommt in der Erdapfelagrarindustrie: Auf Ertragsleistung und Anbaueignung, auf Krankheitsanfälligkeit und Verarbeitungseignungen und dass, wenn die Gentechnologie einmal zugelassen ist, kleinere Zuchtbetriebe sowieso keine Chance mehr haben werden.

Daran wollen wir im Moment lieber nicht denken, weil Saaterdäpfel müssen her, und zwar jetzt. Zur Präzisierung dieses Begriffs: An sich werden Saaterdäpfel gewonnen, indem man den bereits im Boden befindlichen Mutterknollen nicht zu spät das überirdische Kraut ausreißt. Das gewonnene Saatgut ist normalerweise kleiner als die zum Konsum bestimmten Erdäpfel. Andererseits eignen sich aber alle Knollen zum Legen.

Gärtnerischer Goldgräberrausch

Deshalb gibt es für all jene, die im Küchengarten daheim ein Erdäpfeleck oder am Balkon einen Erdäpfelkübel anlegen wollen: Entweder man treibt einen dieser kleinen, feinen, vertrauenswerten Landwirtschaftsbetriebe auf, die sich auf Qualitätserdäpfel spezialisiert haben. Oder man begibt sich auf Märkte und in jene raren Lebensmittelgeschäfte, die ihre Ware noch deklarieren und die Kartoffelkultur hochhalten. Der Trend geht dank steigenden Koch- und Ernährungsbewusstseins in genau diese Richtung. Noch vor ein paar Jahren waren hierzulande Spezialitäten wie zum Beispiel die dunkellila französischen Trüffelerdäpfel Vitelotte so gut wie unbekannt. Neuerdings hat auch Bellaflora löblicherweise ausgewählte Saaterdäpfel im Sortiment.

Also: Erdäpfelspezialitäten ausprobieren und die für g'schmackig empfundenen ohne lang zu zögern in den Erdboden verfrachten. Denn wenige vergnüglichere Momente im Leben des Gärtners gibt es, als jenen der Erdäpfelernte, wenn man in eine Art gärtnerischen Goldgräberrausch verfällt. (Ute Woltron/Der Standard/rondo/06/04/2007)