Wien - Heimische ExpertInnen für Suchtprävention schlagen Alarm: Justiz- und Sozialministerium demontierten mit Erlässen und Verordnungen das im Suchtmittelgesetz verankerte Prinzip Hilfe statt Strafe für drogenabhängige Menschen. Vor allem die geplante Absenkung von so genannten Drogen-Grenzmengen sei "ein gesundheitspolitischer Wahnsinn", empörte sich am Donnerstag der Wiener SPÖ-Gesundheitsstadtrat Sepp Rieder. Hintergrund: Die Justiz hat zur Unterscheidung zwischen Vergehen und Verbrechen im Suchtgiftbereich bestimmte Grenzmengen von verbotenen Substanzen festgelegt. Bei Heroin etwa sind es fünf Gramm. Diese Angabe bezieht sich auf eine Person und ausschließlich für deren Eigengebrauch - von einem Strafverfahren kann in derartigen Fällen dann zugunsten einer Therapie abgesehen werden. Alles was drüber liegt, ist ein Verbrechen, weil die Behörden dann annehmen, dass mit den Drogen gehandelt wird. Für abhängige Betroffene bedeutet der Unterschied also Gefängnis statt Therapie. Oder: Strafe statt Hilfe. Keine Erlaubnis "Damit kein Missverständnis aufkommt: Bei illegalen Drogen gibt es keine erlaubten Mengen. Jedes Fuzerl von einem Fuzerl ist strafrechtlich verboten", sagt der Wiener Drogenkoordinator Peter Hacker. Man müsse aber unterscheiden zwischen KonsumentInnen und professionellen Dealern. Im jüngsten Drogenforum, bei dem alle Drogenkoordinationen der Bundesländer, die Bundesdrogenkoordination sowie Vertreter von Innen-, Justiz-, Sozial- und Bildungsministerium teilnahmen, war eine Absenkung der Grenzmenge einstimmig abgelehnt worden. Realitätsfremd Laut einer dem Standard vorliegenden Verordnung von Sozialministerin Elisabeth Sickl (FPÖ) sollen nun jedoch schon drei Gramm Heroin als Verbrechen gelten. "Das entspricht der Spitzen-Tagesration eines schwer abhängigen Junkies", so Hacker. Die vorgeschlagene Regelung sei völlig realitätsfremd, suchtkranke Menschen würden zu VerbrecherInnen gestempelt. 3200 Verurteilungen Im Jahr 1998, neuere Daten liegen noch nicht vor, gab es 2207 Verurteilungen wegen Suchtgiftvergehen, knapp 1000 wegen Verbrechen. 6699 Anzeigen und Verfahren wurden probeweise zurückgelegt beziehungsweise eingestellt - die Betroffenen zu Therapien verpflichtet. Parallel zur geplanten Strafverschärfung hat die Regierung Subventionen für Betreuungseinrichtungen in ganz Österreich gekürzt. "Im Schnitt um 16 Prozent", sagt Rieder. Manche Einrichtungen, wie etwa die Fachstellen für Suchtprävention in Wien und in Kärnten, erhielten überhaupt keine Unterstützung mehr vom Bund. Auch das erfolgreiche Projekt "Check it" sei von der Subventionsliste des Bundes gestrichen worden. Dabei wurden Jugendliche bei Raves "ohne Zeigefinger" über Gefahren von synthetischen Drogen aufgeklärt. Die Kids hatten auch die Möglichkeit, Ecstasy-Tabletten auf Inhaltsstoffe überprüfen zu lassen. Sickls Verordnung befindet sich in der Begutachtung und wird im Herbst dem Hauptausschuss des Nationalrats vorgelegt. Rieder und Co hoffen auf die "Vernunft des schwarzen Koalitionspartners". Michael Simoner