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Junge Demonstranten unterstützen die Opposition, hier eine Gruppe von Befürwortern von Julia Timoschenko.

Foto: EPA/SERGEY DOLZHENKO
Das ukrainische Verfassungsgericht muss binnen zwei Wochen über die Rechtmäßigkeit der von Präsident Viktor Juschtschenko angesetzten Neuwahlen entscheiden. Unterdessen droht die Situation in Kiew mit jeder Stunde mehr außer Kontrolle zu geraten.

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Kiew/Moskau – In der ukrainischen Regierungskrise hat Ministerpräsident Viktor Janukowitsch am Mittwoch den Druck erhöht. Sein Lager werde den Wahlkampf für die von Präsident Viktor Juschtschenko vorgezogene Neuwahl boykottieren, bis das Verfassungsgericht ein Urteil in der Angelegenheit gefällt habe, sagte Janukowitsch. Bis dahin sei es notwendig, dass die staatlichen Institutionen weiterhin funktionierten, da sich das Land in einer „angespannten Situation“ befände.

Inzwischen legte der Vorsitzende des Verfassungsgerichtes, Iwan Dombrowski, seine Vollmachten nieder. Wie die Regierungskoalition rund um Juschtschenkos Erzrivalen Janukowitsch wiederholt behauptete, habe Dombrowski dem „wahnsinnigen Druck“ der Opposition nachgegeben. Die Vizevorsitzende des Ministerrates, Jelena Lukasch, erklärte, dass die Verfassungsrichter Dombrowskis Rücktritt nicht angenommen hätten. Anderen Quellen zufolge liegt er im Krankenhaus.

Das Verfassungsgericht spielt wie schon bei der Orangen Revolution 2004 eine entscheidende Rolle im politischen Reformprozess in der Ukraine. In den kommenden zwei Wochen hat es zu entscheiden, ob es zu dem von Juschtschenko für 27. Mai angekündigten Neuwahlen kommt und die Opposition damit nach den letzten Misserfolgen eine neue Chance gegen die immer mächtigere Koalition erhält, oder ob Juschtschenkos Erlass auf Antrag der regierenden Koalition für verfassungswidrig erklärt wird.

Parlament tagt

Am Mittwoch tagte auch das aufgelöste Parlament und beschuldigte Juschtschenko „des Versuchs eines Staatsstreiches“. Die direkten Gespräche zwischen Janukowitsch und Juschtschenko wurden wieder aufgenommen, Resultate zeichneten sich wieder nicht ab. Man werde jeden Spruch der Verfassungsrichter akzeptieren, erklärte Janukowitsch, außerdem würde man Neuwahlen nicht fürchten. In der Tat würden sie keine großen Verschiebungen bringen. Was die Kräfteverteilung im Richterkollegium betrifft, so scheint Janukowitsch keine schlechten Karten zu haben. Das 18 Mitglieder starke Kollegium wird zu einem Drittel vom Präsidenten, einem Drittel vom Parlament und einem Drittel vom Richterkongress ernannt. Politische Beobachter sehen die Mehrzahl der Richter aufseiten Janukowitschs. Juschtschenko allerdings hat durch seine ungewöhnliche Entschlossenheit seine Beliebtheitswerte bei den Bürgern verbessern können. Im euphorischen Auftrieb befindet sich auch die Opposition um Julia Timoschenko, die bereits den Startschuss für die Wahlkampagne gegeben hat. Noch fehlt für Neuwahlen aber nicht nur der Richterspruch. Auch der Posten des Wahlkommissionsleiters ist derzeit mit zwei Personen besetzt und damit funktionsuntüchtig. (Eduard Steiner, DER STANDARD, Printausgabe, 5.4.2007)