Schöne Blüten, gefährliches Wesen: Bioinvasoren wie Kudzu und Robinie.

Fotos: DER STANDARD/Uni Wien
Pflanzen sind friedlich, sollte man meinen. Manche geben aber Stoffe ab, die andere Pflanzenarten behindern. Wenn sie in Regionen verschleppt werden, in denen sie zuvor nicht heimisch waren, kann das auch für die Landwirtschaft böse Folgen haben. Wissenschafter untersuchen jetzt die Hintergründe.

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Im Unterschied zu den Tieren führen Pflanzen ein Dasein, in dem Konkurrenz und Kampf keine Rolle zu spielen scheinen: Hier wird nicht gebissen, gekratzt und getreten, und das Gerangel ums lebensnotwendige Licht entscheidet der für sich, der am schnellsten wächst. Doch unter der pazifistischen Oberfläche sieht die Lage ganz anders aus: Viele Pflanzen geben spezifische Stoffe ab, die das Wachstum anderer Pflanzenarten be- oder gar verhindern können. Dieses Allelopathie genannte Phänomen kennt man in der Pflanzenphysiologie schon lange, doch erst seit einigen Jahren wird es auch als Erklärung dafür gehandelt, warum sich manche Pflanzen fern ihrer ursprünglichen Heimat enorm ausbreiten.

Schon seit Jahrhunderten werden Pflanzen - durch Zufall oder gezielt - in Regionen verschleppt, in denen sie vorher nicht heimisch waren. Die meisten dieser Neophyten fristen ein unauffälliges Dasein, einige wenige sind so erfolgreich, dass sie die Bedingungen in ihrem neuen Lebensraum verändern - gewöhnlich zum Schlechten, indem sie alteingesessene Pflanzen verdrängen und damit auch die dazugehörigen Tiere, die darin leben, fressen und brüten.

Das vielleicht extremste Beispiel einer solchen invasiven Art ist die aus Asien stammende Schlingpflanze Kudzu, die von den 1930er- bis in die 1950er-Jahre in den USA gezielt angebaut wurde, ehe man sie als Gefahr erkannte. Ihre Ranken überwuchern andere Pflanzen und ersticken sie. Heute bedeckt Kudzu zwei bis drei Millionen Hektar der südöstlichen USA, und die Kosten für den Verlust an landwirtschaftlicher Produktionsfläche und für Bekämpfungsmaßnahmen belaufen sich auf 500 Millionen Dollar pro Jahr.

Woran liegt es, dass einzelne Arten, die in ihrem ursprünglichen Verbreitungsgebiet oft sogar ausgesprochen selten sind, in ihrer neuen Heimat eine Plage werden können? Diese Frage beschäftigt die Ökologie seit rund 20 Jahren. Die gängigste Hypothese sieht die Ursache dafür im Fehlen von spezialisierten Fressfeinden, wodurch sich die Pflanze die Ausbildung von Schutzmechanismen sparen und die so gewonnene Energie in Wachstum und Vermehrung investieren kann.

An der Universität Wien wird derzeit eine andere, noch sehr junge Hypothese getestet, die erfolgreiche Einwanderungen zumindest zum Teil durch "neue Waffen" erklärt sieht. Dabei "geht es um die Allelopathie: Neophyten könnten giftige Inhaltsstoffe enthalten, die auf die Pflanzen in ihrer neuen Umgebung wesentlich mehr Wirkung haben als auf ihre ursprünglichen Nachbarn, die lange Zeit hatten, sich daran zu gewöhnen. Diese Inhaltsstoffe wären eine neue Waffe, der die ursprüngliche Flora nichts entgegenzusetzen hätte.

Im Rahmen eines vom Wissenschaftsministerium bezahlten Lise-Meitner-Stipendiums des FWF untersuchen Vladimír Chobot und Franz Hadacek vom Department für Chemische Ökologie und Ökosystemforschung der Uni Wien die Ausbreitungstendenzen des hierzulande häufigsten neophytischen Baumes, der Robinie. Sie stammt aus Nordamerika und wird seit etwa 1750 in Mitteleuropa als Erosionsschutz, Bienenfutterquelle und zur Nutzholzgewinnung kultiviert. Aus Naturschutzsicht ist sie bedenklich, weil sie sich in seltene Pflanzengesellschaften wie Trockenrasen ausbreitet, in denen Bäume nichts verloren haben. Das Ziel von Chobot und Hadacek ist die Entwicklung eines Expertensystems, das es erlaubt, einfach giftige Pflanzeninhaltsstoffe zu identifizieren, die zur Schadwirkung von eingebürgerten Pflanzen beitragen können. Zu diesem Zweck setzten sie nicht nur Samen und Keimlinge von Raps verschiedenen Pflanzeninhaltsstoffen aus, sondern auch Tiere, nämlich Salinenkrebschen. Zusätzlich wurden die Testobjekte gestresst, z. B. durch das Lösungsmittel Methanol.

Faktor Stress

Je nach Szenario zeigten die Inhaltsstoffe unterschiedliche Wirkung: Das unter anderem in Walnuss-Schalen vorkommende Juglon etwa behindert die Keimung der Rapssamen deutlich. Bei Keimlingen hingegen wirkt es bei bestimmten Methanol-Konzentrationen Stress reduzierend. Bei Erhöhung der Juglon-Dosis kommt es jedoch in jedem Fall zu Wachstumshemmung. Erstaunlicherweise verhielten sich die Krebschen wie der Raps: Auch bei ihnen ließ der Stress-Effekt des Methanol bei bestimmten Konzentrationen von Juglon nach, während die Sterblichkeit bei höheren Juglon-Dosen stieg. Diese Ergebnisse weisen darauf hin, dass viele Pflanzeninhaltstoffe neben ihrer Hauptwirkung auch Nebenwirkungen haben können und dass chemische Waffen komplexer als angenommen agieren.

Die qualitative und quantitative Zusammensetzung der Inhaltsstoffe in Wurzeln und im Laub der Robinie soll geklärt werden - mit dem Ziel, die Gefahr einzuschätzen, die bestimmte Neophyten für die Artenvielfalt ihrer neuen Verbreitungsgebiete bedeuten. Prinzipiell sollten sich die Alteingesessenen zwar im Lauf der Zeit an die "neuen Waffen" der Einwanderer anpassen, doch bei übermächtigen Konkurrenten könnten sie das zu langsam tun. (Susanne Strnadl/DER STANDARD, Printausgabe, 4. April 2007)