Iran, Irak, Nordkorea: "Staaten wie diese und ihre terroristischen Verbündeten bilden eine Achse des Bösen", sagte George W. Bush Ende Jänner 2002 in seiner Rede an die Nation. Im März 2003 griffen die USA den Irak an.

Zur Person:
Der gebürtige Kanadier David Frum (Jahrgang 1960) ist Historiker und Jurist. Nach einer Karriere als Journalist war er zwischen 2001 und 2002 Redenschreiber bei George W. Bush. Teile der State of the Union-Rede 2002 stammen aus seiner Feder. Heute ist Frum Kolumnist und Fellow am neokonservativen American Enterprise Institute in Washington, DC.

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Standard: Im Irak stehen die Dinge schlecht. Die Glaubwürdigkeit der USA ist schwer angeschlagen. Das "New American Century" hat nicht besonders gut begonnen, oder?

Frum: Aus meiner Sicht gab es im Irak zwei große Probleme: Weil der Präsident – und wir alle – falsch lagen, was die Massenvernichtungswaffen betraf, kamen wir im Irak mit sehr wenig Glaubwürdigkeit an. Der Präsident hat den Irak ehrlich als unmittelbare Bedrohung eingeschätzt. Er hat nicht gelogen. Wenn er lügen hätte wollen, dann hätte er mit 20 besseren Lügen als dieser auftreten können.

Als der Kriegsgrund fragwürdig wurde, musste alles andere absolut glatt gehen, um die Legitimität des Krieges aufrecht zu erhalten. Wäre alles gut verlaufen, hätte es auch ohne Massenvernichtungswaffen keine Fragen gegeben. Wären die Waffen dort gewesen und die Situation wäre danach so schwierig geworden, wie sie jetzt ist, wäre es auch OK gewesen. Das zweite große Problem war, dass alle US-Pläne darauf ausgerichtet waren, einen funktionierenden irakischen Staat zu übernehmen. Wir haben nicht gesehen, dass sich Saddam Husseins Diktatur in ihrer letzten Dekade selbst kannibalisiert hat.

Standard: War es klug, die irakische Armee gleich ganz aufzulösen?

Frum: Die Armee hatte sich schon selbst aufgelöst. Der Fehler der USA war, dass sie nicht schnell genug Gelder an Ex-Militärs auszuzahlen begannen. Aber das ist nicht der Grund für den Aufstand. Der hat sich an etwas entzündet, das wir richtig gemacht haben: Wir haben der schiitischen Mehrheitsbevölkerung entsprechende Macht eingeräumt. Das Projekt einer demokratischen Regierung im Irak ist am Widerstand der Sunniten gescheitert. Solange sie hoffen, dass die alte Macht wiederhergestellt wird, wird dieser Aufstand weitergehen.

Standard: Sie schreiben in einem ihrer Bücher, Präsident Bush sei "nicht neugierig und deswegen manchmal schlecht informiert". War das beim Irak-Krieg der Fall?

Frum: Jeder war überzeugt, dass die Sache wahr war. Die Leute hatten einfach zu starke vorgefasste Meinungen. Ein anderes Problem hat der britische Premier Lord Melbourne so beschrieben: Das ist einer der Fälle, in denen alle weisen Männer unrecht hatten und alle verdammten Verrückten recht. Viele, die jahrelang behauptet haben, es gebe keine Massenvernichtungswaffen im Irak, haben uns vorher erzählt, die Bedrohung durch Al Kaida sei übertrieben.

Standard: "Axis of hatred" oder "Axis of evil", was war ihr Begriff?

Frum: Es hat als das eine begonnen und ist das andere geworden. Dieser Teil der Rede sollte ausdrücken, dass es Hinweise auf eine Koopera_tion zwischen ideologisch völlig anders gestrickten Regimen wie dem Iran und Nordkorea gab. Wir wollten erklären, dass diese Gruppen ihr Hass auf die USA eint. Der Präsident wollte außerdem nicht den Terminus "islamische Terroristen" verwenden. Sie andererseits nur Terroristen zu nennen, hätte viele Fragen offen gelassen. Viele waren zudem besorgt, wie diese Beschreibungen ins Arabische übersetzt werden würden. Jihad zum Beispiel ist im Westen negativ, in arabischen Ländern positiv konnotiert. Wir wollten diese Leute nicht zu Widerstandskämpfern machen. Das Böse dagegen war ein Begriff, der erstens im Lieblingspsalm des Präsidenten (Psalm 37: Erzürne dich nicht über die Bösen; sei nicht neidisch über die Übeltäter!, Anm.) vorkommt und zweitens nicht missverständlich übersetzt werden konnte.

Standard: In der Rede steht auch diese Passage: "Der Preis für Indifferenz wäre eine Katastrophe". Heute sieht es aus, als ob die Intervention im Irak eine Katastrophe ausgelöst hätte.

Frum: Der Preis, den wir zahlen, ist hoch, aber es ist kein katastrophaler Preis. Der Präsident wollte darauf verweisen, was passieren hätte können, wenn Terroristen an Massenvernichtungswaffen gekommen wären. Im Vergleich dazu sind alle aktuellen Probleme nicht auf Katastrophenlevel.

Standard: Ist der Krieg im Irak noch zu gewinnen?

Frum: Es ist immer noch möglich, einen funktionierenden irakischen Staat zu schaffen, der sein Territorium kontrolliert, Terrorismus bekämpft und ein Beispiel für funktionierende Institutionen ist. In der Tat haben wir funktionierende Institutionen: Der Irak hat die einzigen freien Medien in der arabischen Welt, und es gibt eine gewählte Regierung. Viele Sicherheitsprobleme bestehen, aber diese Fortschritte sind in der arabischen Welt sehr ungewöhnlich.

Standard: Was halten sie von den Gesprächen mit Iran und Syrien? Ist das ein zielführender Weg, um die Region zu stabilisieren?

Frum: Die Frage ist, sind das offizielle Gespräche oder Geheimgespräche? Mit den Syrern hat es immer Gespräche gegeben. Die Frage bei den Iranern ist, was passiert zu welchem Preis, wenn wir die Gespräche auf ein offizielles Niveau heben? Wir wollen Kommunikation und die wollen Legitimation. Um das anzugehen, müsste Iran wie ein normaler Staat agieren und nicht Menschen in anderen Staaten umbringen.

Standard: Ein Problem der US-Iran-Politik scheint zu sein, dass sich Washington nicht zwischen Non-Proliferationspolitik und Regimewechsel in Teheran entscheiden kann.

Frum: Die USA haben sich, wo immer möglich, für die Non-Proliferation entschieden – siehe Libyen. Die Frage bei Iran ist, wie man dessen Angebote ernst nehmen kann.

Standard: Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit einer militärischen Intervention in Iran?

Frum: Die ist sehr gering. Wenn wir auf Nordkorea sehen, können wir die Effektivität finanzieller Sanktionen erkennen. Die Russen haben erst unlängst den Druck auf Iran erhöht. Wenn die Europäer bei finanziellen Sanktionen mitziehen, könnten militärische Optionen vermieden werden.

Standard: Was wird Präsident Bushs Erbe sein?

Frum: Zwei positive und zwei negative Aspekte: Er wird dafür in Erinnerung bleiben, dass er die Politik der USA im Mittleren Osten auf die Verbreitung von Demokratie aufgebaut hat, so wie die US-Politik in den 1940er Jahren in Europa und in den 1980er Jahren in Lateinamerika und Asien.

Diese Idee ist nicht mehr modern, aber sie wird wiederkommen. Das zweite Positive wird seine Sozialversicherungskampagne sein. Als Negatives bleiben seine riesigen Budgetdefizite und das Scheitern an einer echten Reform des Regierungsapparats. (Christoph Prantner sprach mit Frum in Washington/DER STANDARD, Printausgabe, 4.4.2007)