Moderatorin: Wir begrüßen Vizekanzler Wilhelm Molterer leicht verspätet zum Chat und bitten die UserInnen nun um ihre Fragen.

Wilhelm Molterer: Hallo, schönen Nachmittag.

Moderatorin: UserInnenfrage per Mail: Herr Molterer, wie soll man Sie ansprechen: als Vizekanzler, Finanzminister oder ÖVP-Chef?

Wilhelm Molterer: Wilhelm Molterer reicht.

Heidelbeere: Wer ist nun der ÖVP-Chef? Sie oder doch noch Schüssel im Hintergrund?

Wilhelm Molterer: Derzeit Schüssel, ab 21. April heißt der Bundesparteiobmann Wilhelm Molterer. Wolfgang Schüssel verrichtet seine Arbeit im Klub und ich führe die Partei.

Haussalami: Was genau wird am Parteitag am 21.4. passieren? Geht Schüssel endgültig?

Wilhelm Molterer: Ich kandidiere für den Bundesparteiobmann und werde meine Stellvertreter vorschlagen, die genauso wie ich gewählt werden müssen. Der Klubobmann ist gewählt vom Parlamentsclub und steht am 21. April nicht zur Wahl.

gloria_amen: Nach nicht einmal hundert Tagen Rot-Schwarz: Müssen sie nicht zugeben, dass es mit FPÖ/BZÖ einfacher und konstruktiver war in der Regierung? Also ich habe lieber eine kleine Koalition - da geht mehr weiter und da besteht nicht alles nur aus Kompromi

Wilhelm Molterer: Jede Koalition ist so gut wie ihre Arbeit, es ist in den letzten sieben Jahren wirklich viel weitergegangen. Und jetzt muss die große Koalition den Elchtest des Regierens bestehen. Die ÖVP will und kann regieren auch in dieser Koalition.

Lu_Ko: Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Wie schaffen Sie bzw. die ÖVP es, ihren roten Koalitionspartner teilweise wie einen Hund an der Leine zu führen?

Wilhelm Molterer: Was ich will ist faire Partnerschaft auf gleicher Augenhöhe. Die SPÖ hatte und hat das Problem, den Übergang von Wahlkampf zu echter Knochenarbeit in der Regierung zu schaffen.

Heidelbeere: Die SPÖ sieht im Budget eine soziale, rote Handschrift und wirft Ihnen vor, dass Sie das Budget so darstellen, als würde die alte schwarze Linie fortgesetzt werden. Wo ist Ihrer Meinung nach die rote Handschrift?

Wilhelm Molterer: Im Budget sind schwarze Zahlen immer besser als rote Handschriften. Richtig ist, wir investieren in Bildung, Forschung, Infrastruktur und Sozialen Zusammenhalt, alles rot-weiß-rote Anliegen.

der kleine prinz: Die Regierung hat jetzt neue steuerliche Belastungen beschlossen, 2010 (im Wahljahr) soll es wieder Entlastungen geben. Zufall oder Absicht?

Wilhelm Molterer: Erhöht wird tatsächlich die MIneralölsteuer für Klimaschutz und INfrastruktur, damit sind sämtliche Ideen wie CO2-Steuer vom Tisch. Entlastet wird 2010, weil wir eine Entlastung dann im Budget verkraften können und die Wirtschaft und die Kaufkraft gerade in der Phase der verflachenden Konjunktur gestärkt werden müssen.

Guss Gustavsson: Herr Finanzminister, ist das Nulldefizit nun endgültig zu Grabe getragen worden? Eigentlich sollte in wirtschaftlich guten Zeiten (wie wir sie aktuell haben) ein Überschuss produziert werden, um in schlechten Zeiten gegensteuern zu können.

Wilhelm Molterer: Nulldefizit strebe ich für 2010 an, das Defizit ist heuer schon geringer als geplant, die Schuldenquote sinkt nächstes Jahr erstmals seit 1993 auf unter 60 %. Ich kann Ihnen grundsätzlich absolut zustimmen

stephin merrit: Sg. Hr. Vizekanzler! Eine einfache Rechnung und Fragestellung: Meine Lebensgefährtin und ich würden pro Monat rd. 1600 EUR Gehaltseinbußen haben, wenn wir uns für ein Kind entscheiden und somit einer von uns auf den Arbeitsplatz verzichtet und nur n

Wilhelm Molterer: Das Kindergeld soll den Eltern ermöglichen, bei den Kindern - zumindest eine Zeitlang zu bleiben. Ich kenne die Probleme die sie ansprechen sehr gut, daher wird die Zuverdienstgrenze von 14.600 auf 16.200 angehoben werden, sowie 2 MOdelle zur Auswahl gestellt: Die bisherige Zeitdauer und Höhe des Kinderbetreuungsgeldes, bzw. eine Verkürzte Zeitdauer von 18 Monaten mit deutlich höheren Zahlungen pro MOnat.

Franz Steiner: bitte erklären Sie mir, warum die Zuverdienstgrenze nicht aufgehoben werden soll - es ist doch offensichtlich, dass Frauen mit Kindern dadurch an den Herd gedrängt werden !

Wilhelm Molterer: Das Ziel des Kindergeldes ist tatsächlich das Eltern Zeit für die Kinder haben können, damit es für berufstätige Eltern leichter wird, wird die Zuverdienstgrenze erhöht und im Sinne der Wahlmöglichkeit auch ein Modell mit kürzerer Zeit und höherer Förderung angeboten.

Haussalami: Dass die Chemie zwischen Martin Bartenstein und Erwin Buchinger nicht klappt, ist ja offensichtlich. Mit wem in der Regierungstruppe werden Sie nicht so wirklich warm?

Wilhelm Molterer: Warm werden ist kein Kriterium in der Politik, sondern korrekte Zusammenarbeit, um die bemühe ich mich mit allen Kolleginnen und Kollegen - das Ergebnis zählt, und kann sich mit Budget, Infrastruktur und Klimapaket durchaus sehen lassen.

Kanalratte: Sind Sie ein besserer Finanzminister als Grasser?

Wilhelm Molterer: Beurteilen Sie selber.

leon spinx: Wie ist es zu erklären, daß die Regierung lieber auf ca. 150 Mio. Euro aus der Erbschaftssteuer verzichtet, als diese zu reparieren, aber eine ähnlich hohe Summe, die aus der Studiengebühr eingenommen wird, als unverzichtbar dargestellt wird

Wilhelm Molterer: Die Erbschaftssteuer ist vom Verfassungsgerichthof aufgehoben und wird nächstes Jahr auslaufen, weil es schon besteuertes Vermögen ist und vor allem den Mittelstand entlastet. Die Studiengebühren halte ich für fair und gerecht, dort wo es soziale Härten gibt, haben wir mit der Erhöhung der Stipendien die richtige Antwort, am Befreiungsmodell wird gearbeitet.

Cloon: Wie ist es möglich, dass in Österreich viele Leute unter der Armutsgrenze leben müssen, und es zeitgleich immer mehr "Working Poor" gibt? Is Ihnen das egal?

Wilhelm Molterer: Ganz im Gegenteil, das ist mir ein besonderes Anliegen, daher: 726 Euro Mindespension, das Konzept der Mindestsicherung, 1.000 Euro Mindeslohn durch die Sozialpartner, Verdoppelung der Mitarbeiterbeteiligung am Unternehmensertrag usw. Bei der STeuerreform ist die Frage der kleineren und mittleren Einkommen im Zentrum.

Haussalami: Minister Pröll betont immer wieder, er will dass die ÖVP jünger, peppiger, bunter wird. Ich kann mir vorstellen, dass das nicht unbedingt auch Ihre Ansicht ist, oder?

Wilhelm Molterer: Die ÖVP braucht die Breite und muss daher sich dort öffnen, wo wirkliche Zukunftsfragen neu zu beantworten sind. Das ist etwa die Generationengerechtigkeit, die Integrationsfragen, die moderne Arbeitswelt. Volkspartei heißt aber auch, den Werten verpflichtet sein. Wenn Sie so wollen: Modern in den Wegen, fest in den Werten.

der kleine prinz: Im nachhinein betrachtet, war die Kritik an den Untersuchungsausschüssen und die damit verbundene Unterbrechung der Koalitionsverhandlungen seitens der ÖVP berechtigt?

Wilhelm Molterer: Ja, war absolut berechtigt, es wird immer deutlicher, dass die Untersuchungsausschüsse keine neuen Ergebnisse bringen, die Arbeit in der Regierung sehr erschweren, vor allem aber eine wirkliche Gefahr für den Standort sind, vor allem durch die unqualifizierten Debatten zum Bankplatz Österreich.

macho macho: Sie treten für die teuerste Anschaffung der Republik, den Eurofighter ein. Haben Sie selbst den Wehrdienst abgeleistet? Wenn nein, warum nicht?

Wilhelm Molterer: Ich habe selber nicht gedient, weil ich aus medizinischen Gründen untauglich war. Trotzdem nehme ich für mich in Anspruch, für die Sicherheit des Landes notwendige Entscheidungen treffen zu können.

Strpüpl Kotu: Werden sie am 21.4. der einzige Kandidat für die Position des Bundesparteiobmannes sein?

Wilhelm Molterer: Wie es derzeit aussieht ja, aber ein Gegenkandidat/Kandidatin wäre spannend.

Philipp Gintenstorfer: Wen werden Sie als Stellvertreter vorschlagen?

Wilhelm Molterer: Das habe ich mir noch nicht endgültig überlegt. Es wird jedenfalls ein starkes Team.

Strpüpl Kotu: Wieso ist die ÖVP in gesellschaftspolitischen Themen, Stichwort gleichgeschlechtliche Ehen , eigentlich so uneinig

Wilhelm Molterer: Auch in der ÖVP gibt es viele Meinungen und das ist gut so, aber in der Frage der gleichgeschlechtlichen Partnerschaft ist klar:Keine Diskriminierung, aber die Ehe zwischen Mann und Frau ist ein besonders schützenswertes Gut.

yeahright: Guten Tag. Mein Freund (männlich) und ich (ebenfalls männlich) leben nun seit 5 Jahren in einer Beziehung. Wie viele unserer heterosexuellen Freunde möchten auch wir unsere Lebensgemeinschaft durch einen Akt vom Staat anerkannt wissen - wir möchten

Wilhelm Molterer: Gleichgeschlechtliche Beziehungen werden von mir genauso respektiert und geachtet wie Partnerschaft zwischen Mann und Frau, daher sollen Diskriminierungen, dort wo sie noch existieren, beseitigt werden. Die Ehe soll aber Mann und Frau vorbehalten bleiben.

Georg Trattnig: Herr Vizekanzler, es gibt in der VP einen Konflikt, ob die rechtliche Gleichstellung gleichgeschlechtlich Liebender umgesetzt werden soll (Kdolsky, tendentiell Pröll) oder nicht (Schüssel). Sind sie für die eingetragene Partnerschaft oder nicht?

Wilhelm Molterer: Ich bin gegen jede Form von Diskriminierung, Partnerschaften sind möglich, die Ehe soll aber zwischen Mann und Frau vorbehalten bleiben.

MyFavoriteThings: Ausländerpolitik: Werden Sie die harte Linie von schwarz-blau-orange fortführen oder denken Sie an eine Evaluierung des Fremdenpakets mit einer Amnestie für integrierte Ausländer und Vermeidung von Härtefällen?

Wilhelm Molterer: Für mich gilt jedenfalls, das Prinzip Integration vor Neuzuwanderung. In der Zuwanderung braucht es klare Spielregeln, das mit den Stimmen der SPÖ beschlossene Fremdenrechtspaket hat sich bewährt.

Fliege: Wenn offensichtlich würde, dass sich Beamte oder Politiker an der Entscheidung zur Auftragsvergabe der Eurofighter persönlich bereichert hätten, wäre das für Sie ein Grund den Vertrag zwischen Österreich und EADS in Frage zu stellen?

Wilhelm Molterer: Hier kennt der Vertrag sehr klare Spielregeln. Derzeit gibt es keine Hinweise auf derartige Vorgänge, auch der Untersuchungsausschuss hat nichts zu Tage gefördert.

hopper: Herr Vizekanzler, wäre es nicht eine praktische Lösung, den derzeitigen Unmut in der Bevölkerung über den Koalitionspartner zu nützen und in Neuwahlen zu gehen, um selbst wieder den Kanzler zu stellen?

Wilhelm Molterer: Nein, ich will durch Arbeit überzeugen und im Jahre 2010 die Volkspartei wieder zur NUmmer 1 machen. Übrigens: Niemand würde derzeit Neuwahlen verstehen.

Maria R.: Sind Sie ein gläubiger Mensch, wenn ja, wie äußert sich das?

Wilhelm Molterer: Ich bin ein gläubiger Mensch und hoffe den Ansprüchen gerecht werden zu können.

der kleine prinz: In einer derStandard-Karikatur wurden Sie als "der Hausverstand" dargestellt, der dem Herrn Gusenbauer einflüstert. Zutreffend?

Wilhelm Molterer: Hausverstand ist in der Politik ganz wichtig, vor allem weil ich mich mit Hausverstand mit der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung einig weiß.

Maria R.: Ich merke keinen Unterschied mehr zwischen ÖVP und SPÖ. Sehen Sie einen?

Wilhelm Molterer: Ja, viele, beispielsweise in der Bildungspolitik, der Steuerpolitik oder der Generationgerechtigkeit von Politik (z.B. Budget- oder Pensionsreform). In vielen gesellschaftspolitischen Fragen ist die ÖVP ihren Werten verpflichtet, die sind anders als die der SPÖ.

Arthur Schnitzl: Herr Vizekanzler, was glauben Sie, was erwarten Bürger heutzutage von Politikern? Wie lange werden die Bürger das derzeitige Phrasendreschen noch ertragen?

Wilhelm Molterer: Die Bürger erwarten Lösungen für Ihre sehr persönlichen Probleme, Sicherheit im Alltag und im Alter, langfristige Weichenstellungen für Junge und für das Klima... Und nie mehr versprechen, als man halten kann.

porphyr: Fühlen Sie sich durch Ihren Spitznamen „Pater Willi“ geehrt oder missverstanden, weil Sie - aus Respekt gegenüber dem Souverain – den Eindruck des drüberstehenden Predigers überhaupt nicht erwecken wollen?

Wilhelm Molterer: Spitznamen sind Spitznamen. Ich habe meinen Stil, den ich auch nicht ändern werde, weil ich schon viele Politiker erlebt habe, die sich beeinflussen ließen und ihre Persönlichkeit verloren haben. Genau das habe ich nicht vor.

Thomas Wallisch: Wie ist ihr derzeitiges Verhältnis zu Wolfgang Schüssel? Was sagen Sie ihm, wenn er anderer Meinung ist als Sie?

Wilhelm Molterer: Wir haben ein sehr gutes Verhältnis, tragen unsere Meinungsverschiedenheiten offen aus. Klar ist aber: die Führungsverantwortung liegt nun bei mir.

Strpüpl Kotu: Gibt es in der ÖVP einen einheitlichen Standpunkt zur Gesamtschule?

Wilhelm Molterer: Die ÖVP ist für die Wahlfreiheit in einem differenzierten Schulsytem, d.h. es soll nach wie vor die AHS, BHS und andere Formen der Schule geben, wo Gesamtschulmodelle angeboten werden ist das durchaus im Sinne der Wahlfreiheit.

Heimo Alfredbauer: Stichwort Rauchverbot: Sind sie wie ihre ÖVP-Gesundheitsministerin Kdolsky für ein generelles Rauchverbot in Lokalen?

Wilhelm Molterer: Ja, ich hoffe, dass dieser Weg der Vernunft freiwillig umgesetzt werden kann, das Gesetz ist nicht für alle Fragen die einzige Antwort.

elend_meister: Herr Vizekanzler, warum ist es notwendig tausende regelmäßiger Cannabis-Konsumenten zu kriminalisieren, die zwar gerne am Abend oder am Wochenende einen Joint rauchen, ansonsten aber ganz normal arbeiten, studieren, usw? Sollte die Bundesregierung n

Wilhelm Molterer: Weil ich viele warnende Stimmen kenne, die vor dem Aufweichen dieser Grenzziehung warnen. Auf deren Rat verlasse ich mich.

xEurocent: Sie betonen immer, dass es bei den Schulen eine Wahlfreiheit geben soll. Wieso eigentlich? Sollten nicht alle Schulen gleich gut sein um allen die selbe Chance zu geben? Es wird ja keine Eltern geben, die ihre Kinder absichtlich in eine schlechtere

Wilhelm Molterer: Was wir brauchen sind Qualitätsstandards, die für bestimmte Altersstufen gelten müssen um den Wechsel von einer zur anderen Schule zu ermöglichen. Und warum sollte eigentlich die Antwort auf die Unterschiedlichkeit der Kinder eine einheitliche Schulform sein, wo doch Vielfalt offensichtlich angestrebt wird.

Lu_Ko: Um nochmals auf die Eurofighter zurückzukommen: Wie sicher wird unser Land mit den paar Fliegern sein?

Wilhelm Molterer: Unsere hochqualifzierten Militärs sind der Meinung, dass mit 18 Eurofightern die Sicherung des Luftraums gewährleistet ist, sie wissen, dass ursprünglich 24 vorgesehen waren.

Maria R.: Freuen Sie sich schon auf den Anflug der ersten Eurofighter? Werden Sie bei deren Landung anwesend sein?

Wilhelm Molterer: Ich freue mich, dass der Luftraum gesichert wird. Die Feuerwehr hat auch ein Löschfahrzeug und trotzdem hoffen wir, dass es nicht brennt.

xEurocent: Herr Molterer, wieso schließt die ÖVP (konkret Herr Spindelegger) nicht aus, Herrn Kabbas zum Volksanwalt zu wählen? Schmieden sie an einer Schwarz-Blau-Orangen Zusammenarbeit oder treten sie für Frau Stoisits als Volksanwältin ein?

Wilhelm Molterer: Der Beste, die Beste soll es werden.

Maria R.: Gibt es in der Politik so etwas wie Freundschaft? Haben Sie einen einzigen wirklichen Freund in einer der anderen Parteien?

Wilhelm Molterer: Ja, durchaus.

Moderatorin: Der Vizekanzler muss jetzt zum nächsten Termin. Wir danken Willi Molterer für sein Kommen und den UserInnen für Ihre Fragen.

Wilhelm Molterer: War echt spannend, wünsche einen schönen Nachmittag.