Jeweils montags, mittwochs und freitags eine Stadtgeschichte von Thomas Rottenberg

Es war heute. Da lag das Mail von W. in meinem Postfach. Weil er, schreibt W., nämlich Optimist sei – und zwar aus Prinzip – habe er sich genötigt gefühlt, auf die Nachahmer-Stadtgeschichte von zuletzt zu antworten. Weil es, meint W., nämlich ganz bestimmt auch ein eine andere als die von P. zwar nicht explizit ausgesprochenen, aber eben doch ziemlich offenkundigen „-ismus“-Gründe für das Ungleichbehandeln verschiedener Menschen bei identen Anlässen gäbe. Oder: Geben müsse.

Schließlich, erklärt W., gäbe es ja auch etwa eine Million Gelegenheiten und Klein-Ereignisse pro Tag, bei denen seiner – nach seinen Angaben – „fast schon bedrohlich schönen Kollegin, meiner Freundin oder sonst einer hübschen Frau“ besser, freundlicher, rascher oder eben sonstwie entgegenkommender geholfen werde. Das, seufzte W. schriftlich, sei zwar unfair – aber eben so. Und auch zwischen Männern werde mittlerweile durchaus differenziert: Manchmal, so W. profitiere er selbst davon, „vermutlich nicht gerade der hässlichste Eumel“ zu sein.

Ungerecht

Was er also sagen wolle, schreibt W., sei, dass es zwar dumm und ungerecht sei, gutes Aussehen aber halt eben belohnt werde. Nicht nur wegen der berühmten 30 Sekunden Vorsprung beim Anbraten, sondern generell. Und in dem Zusammenhang verweist W. auf eine der großen Wahrheiten, die ihn das Trash-TV gelehrt haben.

In irgendeiner Al-Bundy-Folge, erzählt W., wären Sohn Bud, Vater Al und Nachbarin Marcy für irgendetwas festgenommen und bestraft worden. Und als die blonde Tochter Kelly und Steve, der schnöselig Schönlingsmann von nebenan, gleich darauf praktisch das Gleiche taten, war das nicht nur kein Problem, sondern sogar etwas, wofür sie vom lokalen TV-Sender gefeiert wurden. Wieso das so sei, brachte dann „Dumpfbacke“ Kelly auf den Punkt: „Wir dürfen das, denn wir sind gutaussehend.“

KHG-ismus

Dieser Satz, schreibt W., habe ihm in den letzten Jahren generell sehr geholfen. Weil er besser als alle langen Analysen das Phänomen KHG erkläre. Und weil sich dieser KHG-ismus längst auf alle Lebensbereich ausgebreitet habe, schreibt W. weiter, beharre er einfach darauf, dass das auch bei Ps. Supermarkerlebnissen der einzige und alleinige Grund für die Besserbehandlung von P. gewesen sei: „Die wird wohl schlicht umwerfend aussehen.“

Daran glaube er, schreibt W. Nicht weil er naiv sei. Sondern, beendet er sein Mail, „weil jede andere Deutung der Hintergründe einfach nur zum Kotzen wären. Und weil ich das nicht will, weigere ich mich, das Fazit der letzten Stadtgeschichte auch nur eine Sekunde für denkbar zu halten.“ (Thomas Rottenberg, derStandard.at, 30. März 2007)