In der Auseinandersetzung mit "Johann Lukas von Hildebrandt", dem Architekten des Belvedere, entwickelte Gudrun Kampl ihre gleichnamige Intervention.

Foto: Eva Würdinger

Wien – Bereits im Eingangsbereich des Oberen Belvedere merkt man, dass sich etwas verändert hat: Einer der mächtigen vier Atlanten, die die Decke der Sala Terrana stützen, besitzt nun ein blutrotes, zierliches Strumpfband und weiter hinten, in einem etwas abgelegeneren Raum, trägt eine der üblicherweise nackten Figuren von Johann Nepomuk Schaller mit einem neuen Lendenschurz jetzt auch das Zeichen der Scham.

Im Mittelpunkt der von Silvie Aigner kuratierten Intervention, die sich von der Sala Terrana über die Prunkstiege bis in den Marmorsaal zieht, steht jedoch ein überdimensionales Herz, das nun frisches Blut ins barocke Gemäuer von Prinz Eugen pumpt.

In der Auseinandersetzung mit dem österreichischen Feldherrn und seinen architektonischen Vorstellungen, die Johann Lukas von Hildebrandt umgesetzt hat, entwickelte Gudrun Kampl ihre textilen Objekte, mit denen sie nun die Szenerie dominiert. Ein mit Samt eingefasster Spiegel empfängt die Besucher, die sich sogleich in einem Ambiente wiederfinden, das neben dem Verweis auf die Spiegelsäle barocker Schlösser auch die der Epoche eigenen Gegensätze mitreflektiert: Während einerseits in kuschelige Objekte transferierte Symbole wie eine Spinne oder ein Kreuz an Tod und Vergänglichkeit erinnern, werden einige der steinernen Figuren mit roten Organröschen oder einer Träne reanimiert.

An den Seitenwänden, wo eigentlich figürliche Szenen an die hehren Tugenden antiker Heerführer gemahnen, enthüllen nun Kampls Schriftbilder auch die pikanteren Seiten des Barocks. Sie zitiert darin Andreas Gryphius und lässt mit ihm wissen, dass auch damals die "Gedärme rissen und in Eiter Blut und Wasser flossen".

Ähnlich unmissverständliche Wahrheiten lässt die Künstlerin auch in einem in eine Wandarbeit eingefügten Text von Standard-Theaterkritiker Ronald Pohl anklingen, während einen dann die in eine "Textschürze" eingearbeiteten Auszüge aus einem Liebesgedicht von Peter Turrini wieder mit der Welt versöhnen: "Solange die Existenz und die Lage des Paradieses noch nicht geklärt sind, halte ich mich an Dich", heißt es auf dem Kleid, das Kampl der Allegorie des Sommers angepasst hat, während sie ihrem männlichen Pedant einen "Vatermörder" verpasste.

Beide Figuren bewachen nunmehr als Allegorien geschlechtsspezifischer Körperlichkeit den Marmorsaal, in dem rote Stoffballen die Besucher zur physischen Interaktion animieren, und in den Fenstern stehen Reagenzgläser, in denen sich bestickte organartige Objekte den üblichen medizinischen Klassifikationen entziehen.

Nackt lässt die Künstlerin damit weder den Bauherrn noch den Baumeister stehen; Diesmal wird wirklich mit feinen Stoffen und Stickereien an den in Stein gemeißelten Idealen der Epoche gekratzt. (Christa Benzer / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 29.3.2007)