Die Wirrnisse der italienischen Politik werden immer bizarrer. Um Regierungschef Romano Prodi abzulösen, will Oppositionsführer Silvio Berlusconi den italienischen Friedensmissionen im Ausland die Geldmittel kappen. Vor zwei Wochen hatte das Rechtsbündnis dem Text des Dekretes in der Kammer noch geschlossen zugestimmt - im Senat sollte es am Dienstag abgelehnt werden.

Durch positive Umfragewerte beflügelt, will Berlusconi seinen Nachfolger so rasch wie möglich stürzen - auch um den Preis einer Brüskierung von UNO und Nato. Bei einer Niederlage bei der Abstimmung im Senat, die am Dienstagabend stattfinden sollte, wäre Prodi sein Amt als Premier endgültig los. Gleichzeitig müsste Italien über 8000 Soldaten aus den Krisengebieten der Erde abziehen - 2100 aus Afghanistan, 2450 aus dem Libanon, 2500 aus dem Balkan, der Rest aus weiteren 15 Ländern.

Letzte Chance

Diesen "Akt politischer Verantwortungslosigkeit" wollten die Christdemokraten zum Ärger des Cavaliere nicht mittragen. "Wir müssten uns vor aller Welt schämen", findet Pier Ferdinando Casini. Berlusconis Vorwurf, er sei Prodis Steigbügelhalter, weist der Christdemokrat entschieden zurück: "Wir wollen, dass diese Regierung rasch zurücktritt. Aber wir sind nicht bereit, unseren Soldaten in den Rücken zu fallen." Dagegen witterte Berlusconi im Senat seine letzte Chance, den ungeliebten Rivalen noch vor dem Sommerpause aus dem römischen Chigi- Palast zu vertreiben. Auch die Mahnung von Staatspräsident Giorgio Napolitano, "internationale Verpflichtungen nicht zum Gegenstand innenpolitischer Querelen zu machen", verhallte ungehört. "Die lautstarke Politik kontinuierlicher Konfrontation" schade dem Land, warnte der Präsident. Dank Unterstützung der oppositionellen Christdemokraten war am Dienstag die Gefahr einer Niederlage Prodis gebannt - und auch die seines endgültigen Abtritts.

Doch Casini wollte "nur das Dekret retten, nicht aber den Premier". Für den Fall, dass Prodi keine Mehrheit aus eigener Kraft erreicht, wollte das Rechtsbündnis vom Staatspräsidenten die Ablösung der Regierung fordern - mit geringen Erfolgschancen. Ob die Regierung selbst die nötigen 158 Stimmen aufzubringen vermag, war einige Stunden vor der Abstimmung am Dienstagabend ungewiss. Drei Senatoren der Kommunisten und Grünen kündigten ihre Gegenstimme an - zwei von ihnen könnten der Abstimmung fernbleiben und so das notwendige Quorum senken. Mit elf Zusatzanträgen versuchte das Rechtsbündnis zudem, einen Keil in die Ulivo-Koalition zu treiben. Darin wurden "neue Einsatzregeln" für das italienische Kontingent in Afghanistan gefordert. Der rechte Flügel von Prodis Allianz zeigte Bereitschaft, den Antrag zu unterstützen und auch den Einsatz von Kampfhubschraubern zu bewilligen. Grüne und Kommunisten lehnten jede Ausweitung des Mandats kategorisch ab. (Gerhard Mumelter aus Rom/DER STANDARD, Printausgabe, 28.3.2007)