Michael Fanizadeh: "Wenn jemand glaubt heute startet man ein Sozialprojekt und morgen ist die Gewalt weg, das ist ja Quatsch."

Foto: Aigner
Die Initiative FairPlay. Viele Farben. Ein Spiel , gegründet 1997 anlässlich des Europäischen Jahrs gegen Rassismus, will mit ihren Projekten Grenzen durchbrechen und Vorurteile abbauen. Über Strategien bei der Aktionsplanung, Erfahrungen mit Spielern und Vereinen, und die Vorhaben bei der Europameisterschaft 2008 in Österreich und der Schweiz sprachen Alexander Aigner und Michael Robausch mit Michael Fanizadeh, FairPlay-Mitarbeiter der ersten Stunde.

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derStandard.at: Sport wird von Funktionären oft als völkerverbindend dargestellt. Wie sehen sie das?

Michael Fanizadeh: Diesen Automatismus, der manchmal unterstellt wird, den gibt es so sicher nicht. Ich denke Sport kann beides sein. Er kann trennen und er kann zusammenführen. Es gibt in Österreich sehr wenige Bereiche wo Leute etwas zusammentun, unabhängig von Herkunft oder Klassenzugehörigkeit. Unter diesem Aspekt hat er natürlich einen integrativen Charakter. Was uns aber alle NachwuchstrainerInnen, mit denen wir zu tun haben, bestätigen ist, wenn man nicht interveniert, wird sofort wieder getrennt. Banales Beispiel: Wenn sich die Jugendlichen die Mannschaft selbst aufstellen können, passiert es ganz oft, dass in der einen Mannschaft die migrantischen Kinder spielen und in der anderen, die österreichischen. Wenn die Trennungselemente forciert werden, dann wird das einen vorhandenen Konflikt noch verschärfen.

derStandard.at: Inwiefern spielen in diesem Zusammenhang ethnische Sportvereine eine Rolle, in Deutschland gibt es ja schon längere Zeit eine Debatte darüber?

Fanizadeh: Es ist sicher nicht das Ideal. Man muss sich das im Einzelfall anschauen. Bei Türkiyem Spor Berlin zum Beispiel spielen kaum mehr Türken mit. Es gab in den siebziger Jahren sicher einen Grund diesen Verein zu gründen, wahrscheinlich gabs genug Rassismus- und Ausgrenzungsprobleme. Der Verein ist aber jetzt ein total gemischter Klub geworden. In Österreich sind solche Vereine viel später entstanden.

Mir gefallen Vereine, wie zum Beispiel der Prater SV, der erstmal nicht als Verein mit migrantischem Hintergrund erkennbar ist, sich selbst aber den Auftrag gegeben hat zur Integration beizutragen. Es ist ein sehr gemischter Klub, bei dem viele Menschen aus Ex-Jugoslawien dabei sind. Es ist aber sicher auch legitim, wenn man als Fenerbahce in Österreich antreten will. Ein Grund dafür ist in Österreich sicherlich auch die Diskriminierung im Amateursport-Bereich. Es dürfen nur drei Ausländer pro Mannschaft spielen, das ist in Europa ziemlich einmalig.

Der Lösungansatz des ÖFB zu diesem Thema war: Wir lassen halt auch Teams zu, die mehrheitlich zum Beispielt türkisch sind. Die dürfen sich als ein der türkischen Kultur verbundener Verein anmelden, dann sind auch elf türkische Spieler erlaubt. Meiner Ansicht nach im Amateur-Bereich die völlig falsche Herangehensweise. Es sollte spielen können, wer spielen will.

derStandard.at: Wie sieht Ihre Arbeit bei FairPlay in der Praxis eigentlich aus und welche Aufgaben können wahrgenommen werden?

Fanizadeh: Wir machen gezielte Aktionen, nehmen die bekannten Fußballer als Role Models und gehen dann in die unteren Ligen. FairPlay hat auch immer Aktivitäten im Amateurbereich durchgeführt und unterstützt. Und dann kommen natürlich Fans, Spieler und Vereine zu uns und sagen, sie haben dies oder jenes Problem, oder sie planen einen Aktionstag und möchten Unterstützung. Da versuchen wir einerseits Inhalte zu liefern, andererseits dort zu helfen, wo wir helfen können. Gerade im migrantischen Bereich kann man auch mit Geld unterstützen, oft gibt es aber auch Probleme, die anders lösbar sind, wie zum Beispiel beim Zugang zu Plätzen, Auskünfte et cetera.

derStandard.at: Organisieren Sie auch eigene Veranstaltungen?

Fanizadeh: Wir sind vom organisieren eigentlich weggegangen. Da waren wir nicht so erfolgreich. Das können die Fußballleute viel besser und darum gehen wir jetzt dort hin, wo die sind. Zum Beispiel beim Streetsoccer-Cup, dem größten Jugendsport-Event in Österreich, produzieren wir das Jugendmagazin, das alle bekommen, die dort mitspielen. Das Thema des Heftes wird heuer zum Beispiel Nord-Süd sein. Wir versuchen jetzt lieber Leute zu motivieren, selbst aktiv zu werden. Und dann geht es natürlich noch darum, dort zu intervenieren, wo wir das Gefühl haben, da geschieht nichts. Wir versuchen in die Trainerausbildung reinzukommen, wir wollen SchiedsrichterInnen ausbilden, in diesen Bereichen ein Know-How vermitteln, wie man überhaupt mit Rassimusproblemen umgeht. Oder wie Probleme mit nicht so klarem Opfer-Täter Profil gelöst werden können, ohne autoritär reagieren zu müssen. Da versuchen wir jetzt durch die Partnerschaft mit dem ÖFB auch etwas weiterzubringen.

derStandard.at: Wie läuft die Kooperation im Profi-Bereich, also mit Vereinen und der Bundesliga?

Fanizadeh: Die Ersten die mitgemacht haben, waren die Spieler. Bei denen war das Problembewusstsein und die Unterstützung von Anfang an da. Am schwierigsten war es eigentlich mit der Liga. Aber auch die UEFA hat zu Beginn gemeint, das ist ein gesellschaftliches Problem, was hat das mit uns zu tun. Die Fans waren sehr offen und das Stereotyp, sie würden Probleme machen, können wir gar nicht bestätigen. Natürlich gibt es problematische Anhänger und problematische Fanklubs, aber viele rassistische Übergriffe in Stadien werden von den Fans selbst gestoppt. Wir haben das Thema publik gemacht, wir haben es größer gemacht, wir haben es problematisiert und in vielen Kurven regeln die Fanklubs das jetzt selber und das ist auch gut so.

derStandard.at: Wie beurteilen Sie die Ausschreitungen und das Verhalten der Fans beim letzten Wiener Derby und die Reaktionen darauf?

Fanizadeh: Ich fand es erstens interessant, dass die Fans von der Bundesliga in Schutz genommen und der Polizei-Einsatz kritisiert wurde. Aufgefallen ist mir auch, dass sich die Fans selbst nicht dazu geäußert haben, ihre Eigenwahrnehmung war nicht da. Das kann man kritisieren. Es bringt sicher nichts zu sagen, es ist nichts passiert, dass sind alles liebe Leute. Wenn aber ein Klischee erzeugt wird, provoziert man die Übergriffe auch in gewisser Weise.

Meiner Meinung nach wäre die Kritik die sich Austria und Rapid, dabei Rapid noch mehr als die Austria, anhören müssen, nicht so sehr, was bei diesem Derby passiert ist. Warum wird langfristig wenig in die Arbeit mit den Fans investiert? Worum es geht ist, dass die jungen Leute die heute im Stadion sind, sich nicht wieder als Vorbilder die taffen Jungs schnappen müssen. Um dieses Schema zu durchbrechen, braucht es eine Intervention. Wenn man diese Bilder nicht bricht, wird man in zehn Jahren wieder vor den gleichen Problemen stehen. Wir machen das nicht, wir sind ein Antidiskriminierungsprojekt und keine Sozialarbeiter. Was ich bemängle ist, dass dies nicht ausreichend thematisiert worden ist. Und das ist übrigens kein Wiener Problem, sondern ein generelles.

derStandard.at: Müsste mit den Fans also präventiv mehr gearbeitet werden?

Fanizadeh: Ja, und man müsste eine langfristige Perspektive haben. Präventionsarbeit kann Gewalt nicht sofort stoppen. Wenn jemand glaubt heute startet man ein Sozialprojekt und morgen ist die Gewalt weg, das ist ja Quatsch. Wenn man sich ansieht, wie viel Geld in die Videoüberwachung investiert wird, denke ich, dass es langfristig manchmal besser in solchen Projekten angelegt wäre.

derStandard.at: Gibt es Rückmeldungen bezüglich Ihrer Arbeit und haben Sie Projekte hinsichtlich ihrer Wirksamkeit untersucht?

Fanizadeh: Wir haben immer wieder einmal Projekte evaluiert und bei den Funktionären, Fans und Spielern nachgefragt. Die Antworten waren natürlich nicht immer nur schmeichelhaft. Auf Grund dieser Aussagen, haben wir auch im Laufe der Jahre vieles geändert. Ein hauptsächlicher Kritikpunkt war immer: "Ihr seid nur plakativ, das ist nicht nachhaltig." Bis zu einem gewissen Punkt ist das auch berechtigt. Mit unseren vier Leuten können wir aber nur begrenzt wirksam sein. Deswegen wäre es sehr gut, wenn die Vereine selber Projekte aufbauen würden.

derStandard.at: Tut sich denn in dieser Richtung etwas?

Fanizadeh: Es gibt einige Vereine die den Antirassismusparagraphen in die Vereinssatzung aufgenommen haben. GAK, Wacker Tirol, und die Austria zum Beispiel. Rapid hat nichts derartiges in der Satzung, kommt aber immer wieder auf uns zu und fragt, ob wir etwas machen. Dort wo es wirklich eigenständig läuft, ist Innsbruck, und das ist ganz klar den Fans geschuldet. Die machen die Kampagnen selbst und entscheiden auch was passiert. Der Wiener Sportklub, da vorallem die Friedhofstribüne, ist auch noch so ein Verein. Aber das sind sicher Ausnahmen. Die noch am aktivsten sind, sind eigentlich die Fans.

derStandard.at:Die Vereine sind also nicht bereit Mittel und Ressourcen für die Fanarbeit aufzuwenden?

Fanizadeh: Kaum. Wobei ich glaube, dass der Jugendbereich noch wichtiger wäre. Im Nachwuchs tummeln sich zum einen die Spieler von morgen, aber auch die zukünftigen Fans. Die ernste Bereitschaft Mittel in die Hand zu nehmen, eine Person zu benennen, die für Antidiskriminierung zuständig ist - das gibt es bei keinem Verein. Und wenn man sich die finanzielle Lage der Klubs anschaut, wird es die auch so schnell nicht geben. In diese Richtung wollen wir aber zur Euro 2008 nachhaltig etwas aufbauen.

derStandard.at: Welche Aktionen sind für die EM geplant?

Fanizadeh: Wir sind in drei Bereichen rund um die Euro tätig. Es werden in Zusammenarbeit mit der FaCH (Fanarbeit Schweiz) Fanbotschaften aufgebaut und Teams ausgebildet, die sie dann leiten. Die Botschaften sollen Anlaufstellen von Fans für Fans sein - ein sehr bunter offener Ort, an dem sich auch Fanklubs und Vereine präsentieren können. Diese Fan-Arbeit wird von "Football Supporters International" begleitet. Profis, vor allem aus den großen Ländern wie Deutschland, England oder den Niederlanden begleiten da die Fans zur Europameisterschaft. Deren Aufgabe ist es, wenn nötig zu intervenieren, mit der Polizei zu moderieren oder auch einfach zwischen verschieden Fangruppen zu vermitteln.

Daneben läuft unsere Antirassismus- beziehungsweise Antidiskriminierungsarbeit weiter. Speziell soll im Herbst die Aktionswoche "Zeig Rassimus die Rote Karte" mit den Schweizern gemeinsam ablaufen und es wird eine Aktion beim Länderspiel gegen Cote d?Ivoir geben. Im September veranstalten wir eine Konferenz zum Thema "Was erwarten Frauen von der Euro".

Und drittens findet das Projekt EURO SCHOOLS 2008 statt, bei dem die internationale Verständigung und Fair Play im Mittelpunkt stehen. Den teilnehmenden Schulen wird ein für die Endrunde qualifiziertes Team zugelost, mit dem sie sich im Rahmen ihrer BotschafterInnenrolle ein Schuljahr lang beschäftigen. Selbst organisierte Fußballturniere bereiten sie auf eine mögliche Teilnahme am internationalen Finalturnier der EURO-Schulen vor. Alle 53 UEFA Nationen werden dort vertreten sein.