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Wien/Graz - All you can drink, Kübelsaufen, 50-Cent-Tage, Happy Hours und Fahnentage lassen ein immer jünger werdendes Publikum zur Flasche greifen. Maßnahmen seitens des Staates gegen diese Aktionen gibt es kaum. Nur wenige Lokalbesitzer lassen sich von ihren jungen Besuchern den Ausweis zeigen und selbst wenn einer verlangt wird, gibt man sich oft auch mit den leicht fälschbaren Schülerausweisen zufrieden.

Die Folgen dieser Entwicklung sind immer jüngere Alkoholabhängige, wobei das Einstiegsalter weiter sinkt. "Lag er vor 15 Jahren noch bei 16 bis 17 Jahren, so findet der Einstieg heute schon mit 12 Jahren statt", erklärt Michael Musalek, ärztlicher Leiter des Anton-Proksch-Instituts Wien, einer Sonderheilanstalt für Suchtkranke.

Auch Christian Szabo, seit zehn Jahren Notfallsanitäter beim Roten Kreuz kennt diese Entwicklung. Für ihn liegt aber das Hauptproblem woanders. "Meist verweigern die Betroffenen die Hilfeleistung und werden aggressiv. Erst wenn sie fast bewusstlos sind, lassen sie sich helfen - dann ist es aber schon höchste Zeit, sie ins Krankenhaus zu bringen, da sie sehr nahe an einer Alkoholvergiftung sind."

Aber warum hat "Kampftrinken" überhaupt eine so hohe Popularität? Musalek weiß mehrere Gründe dafür: "Alkohol ist heute leichter verfügbar und die Jugendlichen bekommen auch mehr Taschengeld. Außerdem ist die Drucksituation in Schule und Ausbildung größer."

"Zur Beruhigung"

Auch Nina (18) kann davon ein Lied singen: "Ich trinke hauptsächlich, um mich zu beruhigen. Mit neun Jahren habe ich zu trinken begonnen", beschreibt Nina ihren ersten Kontakt mit Alkohol.

Alkohol ist aus dem Alltag der Jugendlichen nicht mehr wegzudenken. Eine Party ohne Promille ist heute unvorstellbar. "Ich trinke öfters in der Woche, aber nur, weil es einfach dazugehört", erklärt Herald (16) seine Beweggründe. Hauptsächlich werde Bier, Tequila oder Wodka konsumiert, darüber sind sich die Jugendlichen einig. Die Folgen sind dramatisch: Laut Wilhelm Müller, Vorstand der Grazer Uniklinik für Kinder- und Jugendheilkunde werden jährlich etwa 140 Kinder und Jugendliche ab dem 12. Lebensjahr mit einer schweren Alkoholvergiftung eingeliefert. Neue Zahlen des Fonds gesundes Österreich zeigen auch, dass es für 22 Prozent der 17- bis 19-Jährigen normal ist, zwei- bis viermal wöchentlich Alkohol konsumieren. Zwar habe Alkohol laut Musalek ein geringes Suchtpotenzial und man werde meist erst nach einem längeren, exzessiven Konsum abhängig, dennoch sei aber der Abhängigkeitsgrad mit dem von Heroin und Kokain gleichzusetzen. Ein Absturz halte Jugendliche nicht von einer Wiederholung ab, zumal Alkohol nicht als "Droge" gilt. Dass aber ein "Um-die-Wette-Trinken" auf der Intensivstation enden kann, verdrängen die meisten.

Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, sollten sich Eltern mit ihren Kindern auseinandersetzen, um die Beweggründe für den Alkoholkonsum zu erfahren, rät Musalek. "Man sollte nicht den Schuldigen suchen, sondern Ursachenforschung betreiben." "Durch Alkohol fühle ich mich freier und offener. Ich vergesse meine Alltagsproblem", meint Christina (17). Um diesen Trend zu durchbrechen sei laut Musalek eine "Imageänderung wichtig, so dass es 'uncool' wird, betrunken zu sein". (Katharina Holub, Katrin Krampl, Michael Kosch/DER STANDARD Printausgabe, 27. März 2007)