Garish: "Parade"

Hat man seinen Ruf erst mal weg ... naja. Doch spätestens das neue Album der Burgenländer, zugleich ihr Major-Debüt, straft überholte Wahrnehmungen Lügen: "Parade" ist ein manchen melancholischen Anflügen zum Trotz durch und durch positiv schwingendes und vor allem überraschend leichtfüßiges Album geworden; nicht zuletzt dem an Element of Crime erinnernden Gitarreneinsatz sei's gedankt. Songs wie "Keiner außer dir" oder "Im Ärmel meiner linken Hand" gehören zum Besten und Kompaktesten, was die Band bislang geschrieben hat, und sind zugleich - mit einigen anderen Stücken - wie gemacht für NeueinsteigerInnen. (Universal)

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Garish

Coverfoto: Universal

At Swim Two Birds: "Returning to the Scene of Crime"

In einem Film wäre es die Szene nach dem entscheidenden Vorfall oder dem Gespräch, in dem die ungeheuerliche Wahrheit geäußert wurde. Die Kamera folgt dem Protagonisten (hier: der Musiker Roger Quigley aus Manchester), wie er in einem Zustand zwischen Wachsein und Traum durch die Zeit driftet, um das ihm Zugestoßene zu verarbeiten. - So fühlt sich die durchgängige Stimmung des Albums an, getragen von Gitarre und ruhigem Gesang mit unverkennbarer Nähe zu den Tindersticks. Und von Texten, die sich als sehr visuelle Beschreibungen erlebter Situationen gestalten. Trotz Quigleys Pseudonym "At Swim Two Birds" (und weil ich Flann O'Brien eh nie gelesen habe) hier also keine literarische Spurensuche, das ist kinematographische Musik! (Green Ufos/Soulseduction)

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MySpace-Seite von At Swim Two Birds

Coverfoto: Green Ufos

Rosie Thomas: "These Friends Of Mine"

Die ersten paar Songs hindurch sucht man noch (vergeblich) nach den experimentellen Einsprengseln, die für Folksängerinnen heute fast schon obligatorisch erscheinen. Dann wird einem klar: It's not a bug, it's a feature! Hier geht's einfach um eine Frau an ihrer Gitarre; oder auch an ihrem Piano. Nur an manchen Stellen um ganz, ganz sachte Zusatzarrangements ergänzt, aufgenommen mit - wie's der Albumtitel besagt - ein paar Freunden bei Wohnzimmer­sessions in New York und Philadelphia. Einer dieser Freunde heißt Sufjan Stevens und hat seinen Teil beigetragen zu einem spinnwebenzarten und mit einfachsten Mitteln wunderschön gewordenen Album. (Nettwerk)

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Rosie Thomas

Coverfoto: Sing-A-Long/Nettwerk

Of Montreal: "Hissing Fauna, Are You The Destroyer?"

Come on chemicals! Of Montreal hören ist wie dem kleinen Bruder dabei zuzusehen, wie er betrunken die Karaokemaschine stürmt und immer kreativer wird. Passieren kann nichts, doch fragt man sich mit banger Faszination: Was hat er denn jetzt wieder vor?! In rasanter Abfolge trudeln nervöse Drumbeats, Billigsynthesizer-Klänge und eckige Gitarrenriffs wie anno '79 vorbei; dazu überkandidelter Gesang, an dem die Sparks ihre Freude hätten. Die US-Band um den gelinge gesagt extravaganten Frontmann Kevin Barnes lebt den Geist des Punk in seiner kreativsten Ausformung: Große Empfehlung! (Polyvinyl)

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Of Montreal

Coverfoto: Polyvinyl

Polarkreis 18: "Polarkreis 18"

Pop, der in die Vollen geht, ist immer begrüßenswert: Gleich das Eröffnungsstück "Dreamdancer" bläst sich zum Riesenhysterium auf - was The Darkness in Sachen Rock tun, kriegt dieses Quintett aus Dresden locker für den Pop hin. Auf ihre Art ähnlich übersteigert fallen die elegischeren Nummern wie "Chiropody" (Fußpflege! wieder ein neues Wort gelernt ...) oder "Stellaris" aus. Die Mischung aus Elektronik, Rock, Falsettgesang und jeder Menge Pomp und Paus ist schon als "Sigur Ròs am Dancefloor" beschrieben worden - etwas plakativ, aber gar nicht so weit vom Polarkreis entfernt. (Motor Music/edel)

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Polarkreis 18

Coverfoto: Motor Music

Maximo Park: "Our Earthly Pleasures"

... und sie bleiben die einzige Jungsrockband, bei der mir nicht augenblicklich die Füße einschlafen. Liegt es an Paul Smiths Gesang (und Akzent)? An den Synthie-Piepsern, die sich wie eine feine Schicht Glitzerstaub über den Rock legen? Am spannungs­erzeugenden Wechsel von ruhigen Momenten und energetischen Ausbrüchen? Daran, dass Bass und Gitarre trotz aller angeblichen US-Vorbilder unverkennbar britisch klingen? Oder einfach daran, dass Maximo Park sich selbst als Pop-Band wahrnehmen und dementsprechend Wert auf gekonnten Songaufbau legen? Zweitlinge sind selten so gut wie Debüts, aber Songs wie "Girls Who Play Guitars" oder "Nosebleed" stehen wie eine Eins. (Warp Records/edel)

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Maximo Park

Coverfoto: Warp Records

4hero: "Play With The Changes"

Als nachgeborener Zwilling zum gigantischen 2001er Album "Creating Patterns" scheint es gedacht zu sein, was das britische Duo Marc Mac und Dego McFarlane nun vorlegt: Einmal mehr erkunden sie mit einer ganzen Batterie von GastsängerInnen die Aspekte von Soul und Nu Jazz. So weit faltet ihre hymnische Stilmixtur die Arme auf, dass sie ein Stevie Wonder-Cover ("Superwoman") ebenso umschließen kann wie Ursula Ruckers Revolutionspoem "The Awakening". Am besten bleiben 4hero aber, wenn sie die Sound-Opulenz bis ins absolute Extrem steigern: damals mit "Les Fleur", jetzt mit "Morning Child"; erneut gesungen von Carina Andersson. Könnte Diana Ross sein, hätte sie sich nach dem Motown-Abgang bessere Produzenten gesucht ... (Raw Canvas Records)

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4hero

Coverfoto: Raw Canvas

Maserati: "Inventions for the New Season"

Wenn man mit Punk, New Wave und der Rückkehr des 3-Minuten-Songs aufgewachsen ist, hat man die Ablehnung von arty-farty Klangexperimen­tatoren wie Pink Floyd oder Mike Oldfield quasi verinnerlicht ... und des ganzen Krautrocks (ausgenommen natürlich Kraftwerk) gleich dazu. Genau hieraus schöpft die US-Band Maserati aber die Sounds für ihre Instrumentalstücke. Allerdings gänzlich ohne Größenwahn, statt dessen locker und energiegeladen umgesetzt - und somit als gangbare Alternative zum herkömmlichen Popsong. Und mit soviel zeitlichem Abstand relativieren sich alte Geschmackskriterien ohnehin ... außer was Pink Floyd betrifft. (Golden Antenna)

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Maserati

Coverfoto: Golden Antenna

Roedelius: "Works 1968 - 2005"

Wir bleiben beim Stichwort: Hans Joachim Roedelius war mit den Formationen Cluster und Harmonia einer der wichtigsten Köpfe des Krautrock, ließ als Komponist von (nicht nur, aber vor allem) elektronischer Instrumentalmusik die Großregion Populärmusik aber zunehmend hinter sich. Wie er Pop, Rock und Elektronik der Gegenwart beeinflusst hat (bzw: was sie bereit waren aufzunehmen und was nicht), zeigt diese Werkschau. "Monza" (1975) etwa hat aus heutiger Sicht seinen Platz eindeutig in den 70ern ... und nirgendwo sonst. Das zwei Jahre ältere "Dino" hingegen könnte auf ein Stereolab-Album der 90er gepresst worden sein, ohne auch nur einen Ton zu ändern. Und "By this river", 1984 gemeinsam mit Brian Eno geschaffen, hat in 23 Jahren auch nicht das geringste Fitzelchen Staub angesetzt. (Grönland Records/Hoanzl)

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Roedelius.com

Coverfoto: Grönland Records

Kante: "Kante plays Rhythmus Berlin"

Seit Anfang März läuft die Revue "Rhythmus Berlin" ebendort im ehrwürdigen Friedrichstadtpalast. Die Lieder der Show (taz-Kritik: "Das ganz große Edeltrash-Inferno") schrieb zum Teil Peter Thiessen von Kante. Für seine Band hat er das, wo im Theater Sänger-, Tänzer- und Orchesterscharen wimmeln, umkomponiert und neuarrangiert - und zwar auf einen auch für Kante-Verhältnisse reduzierten Sound; "Zweilicht" lässt grüßen. Highlight ist zwar die rockige Berlin-Hymne "Wer hierher kommt, will vor die Tür", den Hauptton geben aber die ruhigen Stücke vor. Kein Kunstschwurbel - gefällt mir sogar besser als die letzten regulären Veröffentlichungen der Band. (Labels/EMI)

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Kante

Coverfoto: Labels/EMI

Sia: "Colour the Small One"

Außer Konkurrenz und ein Epilog in jedem Sinne: Vor einer Woche ist "Six Feet Under" im deutschsprachigen Fernsehen ausgelaufen - mit einem für die schwerverdauliche letzte Staffel versöhnlich stimmenden Finale. Der Song, der die epische Schlusssequenz unterlegte, heißt "Breathe Me", stammt von der australischen Sängerin Sia Furler und ist auf dem hier gezeigten Album aus dem Jahr 2006 enthalten. Der Rest ist etwas (zu) glatt ausgefallen, aber "Breathe Me" bleibt ein Schmachtfetzen von allerhöchsten Graden. Ende, aus. (Astralwerks)

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Sia

Coverfoto: Astralwerks