Viele Städte- und Landschaftsschilderungen kommen ohne Gerüche aus. Venedig sehen und gefesselt sein. Das ist ein Massenerlebnis. Fotografiert, gefilmt, gezeichnet. Wer Bernd Schilcher kennt, weiß auch um seine emotionalen Talente. "Wie die Macht riecht", nennt er eines der 56 Kapitel dieses Buches, dem die Fotos von Silvia Schilcher zugeordnet sind. Hier beginnt der Orient, das Gewürzgemälde könnte auch aus einem Markt in Damaskus oder in Kalkutta stammen.

Das "Florian"

"Das schönste Café der Welt" nennt Schilcher das Florian in Venedig. Eine mutige Beobachtung, weil das Gambrinus in Neapel oder das Ferstel in Wien zwar nicht so maniriert, aber atmosphärisch ebenbürtig sind. Der Punkt ist: Hier beginnt Mitteleuropa. Venedig ist die Schnittstelle, weshalb viele Städte mit Wasser und Brücken sich Venedig nahe fühlen - bis nach Oslo, dem "Venedig des Nordens". Aber zugegeben: Die österreichischen Offiziere saßen, wie Schilcher dokumentiert, viel lieber im Quadri. Im Florian hatten die Frauen zeitweise sogar Hausverbot.

Venedig und die Frauen. Eine Venezianerin war auch jene jüdische Aristokratin, die für das Design Mussolinis verantwortlich war und damit zum Aufstieg des Diktators beitrug. Sie kommt bei Schilcher nicht vor, dafür aber "La Cortigiana", die venezianische Kurtisane: "Ihre prallen Ansichten vom Leben haben sich all die Jahrhunderte unverändert gut verkauft".

Es ist Silvia Schilcher zu danken, dass in diesem feuilletonistischen Bild-Text-Band nicht die Architektur der Serenissima vorherrscht. Sie konzentriert sich stärker auf Stimmungen und auf Alltägliches. Was auch den Touristen zu raten wäre. (DER STANDARD print, 24./25.3.2007)