Wien - Mit der Ausstellung "Oskar Kokoschka: Exil und Heimat" will die Albertina erstmals ausführlich das Spätwerk des österreichischen Künstlers würdigen. Der für Herbst dieses Jahres geplante Termin wurde allerdings auf das Frühjahr 2008 verschoben. Die Schweizer Kokoschka-Stiftung hat im Zug des Rechtsstreits um das Erbe von Oskar Kokoschka (1886-1980), der ab 1953 in Villeneuve gelebt hatte, Zusagen für Leihgaben wieder zurückgezogen, da eine mögliche Beschlagnahme befürchtet wurde. Eine vor wenigen Tagen getroffene Entscheidung des Schweizer Bundesgericht könnte nun wieder Bewegung in die Sache bringen.

Schon seit 2005 ficht der Wiener Chirurg Roman Kokoschka, Neffe des Malers, das letzte Testament von Olda Kokoschka an. Die im Juni 2004 verstorbene Witwe des Malers verwaltete nach Kokoschkas Tod 1980 seinen Nachlass und setzte 1998 in ihrem letzten Willen die von ihr gegründete Kokoschka-Stiftung als "Universalerbin" ein. Der Arzt ist allerdings in Besitz der Kopie eines drei Jahre früher verfassten Testaments, in dem er, wie es der Maler gewünscht habe, als Alleinerbe aufscheint.

"Die Angst war größer als das Vertrauen"

Die Stiftung befürchtete einen gerichtlichen Zugriff auf die Bilder und wollte daher einige von der Albertina erbetenen Gemälde nicht nach Wien reisen lassen, obwohl ihr die Immunität der Exponate zugesichert wurde. "Die Angst war größer als das Vertrauen", sagt Régine Bonnefoit, Konservatorin der Kokoschka-Stiftung. Mit der Abweisung der Berufung von Roman Kokoschka sei nun allerdings "eine neue Grundlage geschaffen". Zwar sei nicht sie, sondern der Stiftungsrat unter seinem Präsidenten Bernard Blatter für Leihgaben zuständig, doch rechnet sie nun mit neuerlichen Gesprächen mit der Albertina.

Ein Ende des Rechtsstreits ist jedoch derzeit nicht absehbar, zumal gleich mehrere Verfahren laufen, u.a. zum Geschäftsgebaren der Stiftung. Streitpunkt sind etwa die Umstände der Abfassung des Testaments von Olda Kokoschka im Jahr 1998, wenige Monate nach einem Schlaganfall. Als Initiator dahinter vermutet Roman Kokoschka die Stiftungsorgane.

Kritischer Zeitraum

Oldas Aufzeichnungen, die in der Zentralbibliothek Zürich aufbewahrt sind und mit dem Jahr 1999 aufhören, zeigten, dass sie in der Zeit um den Schlaganfall und danach intensiv von den Stiftungsorganen und ihren Angehörigen besucht wurde, während ihre Verwandten in Österreich und Tschechien ohne Nachricht blieben, so der Schweizer Anwalt von Kokoschkas Neffe, Julius Effenberger, gegenüber der APA. Da aber bereits Oskar Kokoschka verfügt habe, dass sein Nachlass im Besitz der Familie bleiben soll, habe Olda eigentlich keine Verfügungsgewalt mehr darüber gehabt. "Es gibt viele Zeugen, die belegen, dass Olda Kokoschka keineswegs in einem Zustand schwerer geistiger Beeinträchtigung war", kontert Bonnefoit.

Bereits im Frühjahr 2005 wurde der Stiftungssekretär, Oldas ehemaliger persönlicher finanzieller Berater, als ihr Testamentsvollstrecker zu Gunsten eines neutralen Nachlassprüfers gerichtlich suspendiert. Die obere Instanz gab jedoch seiner Berufung statt, mit der Begründung, eine Überprüfung sei zu aufwendig, da der Sekretär den Nachlass bereits verteilt hätte, so Effenberger. So habe der Sekretär, nachdem er von seiner bevorstehenden Suspendierung erfahren hätte, das Vermögen auf ein neues Konto auf den Namen der Stiftung übertragen und dieser auch die Villa des Künstlers in Villeneuve überschreiben lassen, die nach Oldas Wunsch eine Gedächtnisstätte hätte werden sollen und mittlerweile von ihm selbst bewohnt werde.

Das Mobiliar sei versteigert, das Haus inzwischen möglicherweise verkauft worden, vermutet Effenberger. Die Stiftungsorgane hätten die Einquartierung des Sekretärs und den Verkauf gegenüber Kokoschkas Neffen geheim zu halten versucht. Auf Grund neuer Fakten hat Roman Kokoschka erneut einen Antrag auf Einsetzung eines amtlichen Nachlassprüfers gestellt.

Standpunkte

Unklar ist laut Julius Effenberger auch, was genau überhaupt in Oldas Nachlass gehört, der angeblich die schönsten Zeichnungen und Aquarelle enthielt, die Kokoschka seit 1953 angefertigt und als Referenz bei sich behalten hatte. Aus einer Aufstellung des Sekretärs vom Mai 2005, in welcher weder der Wert noch die Identität der Bilder angegeben ist, sowie aus der Information eines Kunsthändlers gehe, so Effenberger, jedenfalls hervor, dass bereits einige Arbeiten daraus veräußert wurden. Die Stiftung habe ihrem Aufsichtsorgan nie ein offizielles Inventar über die in ihrem Besitz befindlichen Werke vorgelegt, es gebe lediglich eine 1994 für eine Schau verfasste Aufstellung. Dass dies nicht stimme, davon könne man sich leicht überzeugen, erwidert Bonnefoit: "Man braucht nur zu uns zu kommen und den Computer einzuschalten."

Régine Bonnefoit ist seit 1. Mai 2006 als Konservatorin für den künstlerischen Nachlass Oskar Kokoschkas angestellt. Sie arbeitet im Jenisch Museum in Vevey, in dem die Kunstwerke verwahrt sind. Dort seien die Kokoschka-Werke der Öffentlichkeit keineswegs in dem Ausmaß zugänglich, wie es seiner Bedeutung entsprechen würde und auch bei der Gründung der Stiftung gegenüber den Aufsichtsbehörden ausdrücklich zugesagt wurde, kritisieren Roman Kokoschka und sein Anwalt. Es habe nicht einmal eine Gedenkschau zu Kokoschkas 25. Todestag im Vorjahr gegeben.

Ausstellungen und deren Fläche

"Wir sind sehr aktiv", entgegnet die Konservatorin und verweist auf vier Kokoschka-Ausstellungen im Vorjahr, zwei davon außerhalb des Jenisch Museums. Es gebe zwei große Ausstellungsprojekte für die kommenden Jahre: "Oskar Kokoschka und die Musik" soll im Juli eröffnet werden, "Oskar Kokoschka und die Antike" ist in Kooperation mit einem griechischen Museum für 2009 geplant.

Die Stiftung und das Museum planen laut Roman Kokoschka um eine halbe Mio. Schweizer Franken (308.833 Euro) aus dem Stiftungs-Vermögen eine Erweiterung des Museums, bei der ein 180 Quadratmeter-Saal für die zumindest zeitweise Präsentation von Kokoschkas Werk vorgesehen ist. Der Standort der Sammlung in Vevey habe mit dem Tod Oldas, die die Bilder zu Lebzeiten in ihrer physischen Nähe haben wollte, allerdings seinen Zweck verloren, betont der Wiener Arzt. Die Statuten schrieben der Stiftung die würdige Aufbewahrung des Werks, die Dokumentation von Oskar Kokoschkas Leben und deren öffentliche Promotion vor. Kokoschkas Neffe ist überzeugt, dass diese Ziele in Wien viel einfacher zu erreichen sind als am bisherigen Standort. Er möchte den Nachlass als kulturelles Erbe nach Österreich holen und der Öffentlichkeit und der Forschung zugänglich machen. "Die Albertina oder das Belvedere wären der richtige Ort." (APA)