Kriszta Bódis ist eine Sprachschöpferin, die ihre Interviewobjekte, diese an die Peripherie gerutschten Unglückshaufen, so gut kennt, dass ihr Roman eigentlich ein Film ist.
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Mit "Absätze Teil III. – Autorinnen aus Ungarn" wird am 28. März im Wiener Collegium Hungaricum eine im Herbst 2005 gestartete zweisprachige Literaturreihe fortgesetzt. Gäste sind die Prosaistinnen Éva Bánki und Kriszta Bódis, die die ungarische Literaturszene wesentlich mitprägen.

"Zwei kohlschwarze Löcher"

Kriszta Bódis lebt in Budapest als freischaffende Autorin und Dokumentarfilmerin. Ihr zweiter Roman "Artista" ("Hoch, hinaus") ist seit seinem Erscheinen 2006 in allen ungarischen Bestsellerlisten. Bódis wird aus diesem erschütternden Roman lesen: Ein dreizehnjähriges Mädchen klettert auf einen Hochspannungsmast hinauf und erleidet Stromschlag. Sie stirbt keinen sekundenschnellen Tod: Fünf Tage lang leidet sie im Wasserbett, wo sie blind, bis zum Hals eingewickelt, mit aufgedunsenem Körper und bis zum Stumpf amputierten Armen liegt, nach ihrer Mutter röchelnd. "Anstelle der Augen zwei kohlschwarze Löcher."

Nach dem der Salto mortale mit tödlichem Ausgang als Unfall deklariert wurde, fängt die Psychologin Judit an, zu recherchieren, was mit dem Mädchen wirklich passierte. Der Roman erzählt dieselbe Geschichte mittels Interviews, aus verschiedenen Perspektiven.

Unerbittliche Dokumentarfilmerin

Bódis ist eine Sprachschöpferin, die ihre Interviewobjekte, diese an die Peripherie gerutschten Unglückshaufen, so gut kennt, dass ihr Roman eigentlich ein Film ist. Ein Dokumentarfilm, den außer ihr und ähnlich resoluten AktivistInnen möglicherweise sich niemand ansehen will. Denn Kriszta Bódis ist eine unerbittliche Dokumentarfilmerin, auch wenn sie schreibt. Sie macht uns nichts vor, sie rettet weder ihre Heldin noch spricht sie die anderen Figuren frei. Denn niemand ist schuldlos. Sie weiß, in dieser Welt bekommt keiner unbedingte Strafe, nur lebenslänglich. (red)