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Wien - Der suspendierte Landespolizeikommandant Roland Horngacher wartet auf eine Entscheidung über die ihm angekündigte Anklageschrift über Amtsmissbrauch und Geschenkannahme, der Spitzenkriminalist Ernst Geiger auf eine Berufungsverhandlung im Fall einer angeblich angekündigten Razzia in der "FKK-Sauna" eines Bekannten. Ein Ermittler soll auch private Nähe zu einem Capo der Wiener Rotlichtszene gefunden haben. Die Affären in der Wiener Polizei mit nun täglichen Berichten über angebliche Schmiergeldzahlungen aus Rotlicht-Kreisen an Beamte kann derzeit nur eine zumindest mittelbar beteiligte Gruppe freuen: die Unterwelt.

Die Stimmung in der Kripo ist schlecht, sagte der Personalvertreter der Kriminaldirektion 1 (KD 1), Armin Ortner. Heikle Ermittlungen würden derzeit nicht gerne geführt, "weil es sehr heiß ist, wenn man wo hingreift". Die Beamten wollen nicht die nächsten sein, die von Unterweltgrößen mit einer nicht korrekten Vorgangsweise in Verbindung gebracht werden.

Mehr oder weniger verschwiegen

Das Büro für Interne Angelegenheiten (BIA) nimmt zu den Ermittlungen in der Affäre nicht mehr Stellung. Inhaltliches sagte auch Oberst Rudolf Gollia, Sprecher des Innenressorts, nicht: "Das BIA ermittelt auf zwei Schienen: Die Ergebnisse werden der Dienstaufsicht der Bundespolizeidirektion Wien für Fragen des Disziplinarrechts sowie der Staatsanwaltschaft Wien zur strafrechtlichen Beurteilung vorgelegt." Es gelte Amtsverschwiegenheit - übrigens auch für die beteiligten Personen. Zumindest Horngacher vertraut sich dabei dem Boulevard an.

Ominöse Sperrlisten

Eine der Haupt-Ermittlungsschienen des BIA dürfte derzeit die so genannten Sperrlisten betreffen, die im Zentrum der von Angehörigen des Rotlichtmilieus - öffentlich - erhobenen Korruptionsvorwürfe stehen. Die Frage lautet: Hatten die Sperrlisten die Aufgabe, Lokale vor Kontrollen durch die Polizei zu schützen? Oder handelte es sich dabei um Listen, die zur besseren Koordination von Ermittlungen dienten?

Nach der ersten Version waren etwa 300 Lokale auf den Listen und wurden gegen Zahlung von einigen hundert Euro von Kontrollen ausgenommen. Das soll Teil des Services des so genannten Nokia-Clubs gewesen sein, den ein Gürtel-Boss installiert haben soll und bei dem es vor allem um Schutzgelderpressung gegangen sein könnte. Der Haken an dieser Version: Sie wird von Harald H., dem kürzlich aus der Haft entlassenen Vorgänger des aktuellen Gürtel-Capos, verbreitet.

Kaum Lokale auf den Listen

Die andere Version: Die Sperrlisten sollen vor allem Wohnungen betroffen haben, die bei Suchtgiftermittlungen observiert wurden. Nur ein kleiner Teil galt demnach Lokalen und davon soll wiederum ein kleiner Teil dem Rotlichtmilieu zuzurechnen sein. Die Listen seien zur Abstimmung zwischen verschiedenen Polizeidienststellen gedacht gewesen, damit etwa Fremdenpolizei und Drogenfahnder nicht nacheinander in ein und demselben Lokal auftauchten. Auch der teilweise rehabilitierte Oberst Roland Frühwirth hatte 2004 Lokale auf der Sperrliste.

Dabei ging es auch um einige Gürtel-Bordelle. "Dafür gibt es auch Aktenzahlen: 504 Res/KD1/04 und 508 Res/KD1/04. Im Wesentlichen ging es dabei um Schutzgelderpressungen", sagte Frühwirth. Der Ermittlungsauftrag sei damals übrigens von Ernst Geiger, dem derzeit suspendierten interimistischen Leiter der kriminalpolizeilichen Abteilung unterzeichnet worden.

Im Jänner 2004 wurden drei Hauptprotagonisten aus dem Rotlichtmilieu verhaftet, unter anderem Richard S. und Harald H. Darin dürfte auch ein Teil des Problems liegen: Während Harald H. wegen Vergewaltigung verurteilt wurde, verliefen die Ermittlungen wegen Schutzgelderpressung gegen den "Verein Freies Wien", der schon damals intern "Nokia-Club" genannt worden sein soll, im Sande.

Intrige und Rache

Es gab keine Zeugen, welche die Schutzgelderpressung bestätigt hätten. Harald H. beteuert noch immer seine Unschuld und spricht bis heute von einer Intrige. Seinen Kontrahenten soll er Rache geschworen haben.

Nachdem die Existenz der so genannten Sperrlisten, deren Erfindung Horngacher zugeschrieben wird, im Sommer des Vorjahres beim Prozess gegen Geiger bekannt geworden war, wurden sie aufgelöst. Seither geben sich Polizeiabteilungen in einschlägigen Etablissements wieder die Türklinke in die Hand. (APA, red, DER STANDARD print, 21.3.2007)