Sabine Seymour, auf zwei Kontinenten zu Hause, entwickelt intelligente Kleidung - unter anderem den "Nike plus"-Turnschuh, der mit einem Chip ausgestattet Distanzen und Zeit misst.

Foto: DER STANDARD/Urban
Ein Chip im Turnschuh, ein Feuerwehranzug, der noch sicherer ist als seine Vorgänger: Die gebürtige Wienerin Sabine Seymour ist eine der erfolgreichsten Entwicklerinnen von "Smart Clothes" und unterrichtet das Thema in New York. Peter Illetschko sprach mit ihr.

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STANDARD: Sie bringen "Kleidung und Computertechnik in ästhetischen Einklang", steht auf der Forscherinnen-Website w-fforte.at zu lesen. Sie werden da als Designerin, "IT-Avantgardistin" ja sogar als "Wegbereiterin" bezeichnet, weil Sie in Kleidung integrierte Technologien hierzulande verstärkt zum Thema machen. Sie sind außerdem Firmeninhaberin und Lehrbeauftragte an zwei Hochschulen. Wandern Sie zwischen den Welten?

Seymour: Wandern würde ich nicht sagen. Die Beschäftigung mit in Kleidung integrierbaren Technologien, wie auch immer das ausschauen kann, macht mich notwendigerweise zu einer Übersetzerin zwischen den verschiedenen Disziplinen. Ein Elektrotechniker zum Beispiel hat eine vollkommen andere Sprache als ein Designer. Und trotzdem müssen, wenn man "Smart Clothes", intelligente Textilien, entwickelt, beide Bereiche zusammen wirken.

STANDARD: Wie schaut das in der Praxis aus?

Seymour: Ich analysiere, ob eine Kleidung mit integrierter Technologie tragbar ist, für wen die Kleidung hergestellt wird und welche Ansprüche diese Zielgruppe hat: Ist das intelligente Textil für einen Feuerwehrmann, dann muss es logischerweise feuerfest sein und Hitzesensoren eingebaut haben. Ist es für einen Seemann, dann sollte es ihm helfen, über Wasser zu bleiben. Wir nennen das "context of use".

Ein weiterer wichtiger Faktor ist die Interaktion der Kleidung mit dem Körper: Ein T-Shirt, das die Pulsfrequenz anzeigt, kann sowohl in der Sportmedizin als auch in der Diagnostik verwendet werden. Momentan beschäftigt mich sehr die Wirkung des Kleidungsstückes. Es geht auch bei der Kleidung eines Feuerwehrmannes um Ästhetik.

STANDARD: Die Computersysteme, die in eine Kleidung gebaut werden, sind nicht Ihr Thema?

Seymour: Doch. Wir bauen sie aber nicht alleine. Und wir beschäftigen uns vor allem damit, wie man ihr Zusammenspiel mit der Kleidung designen kann.

STANDARD: Können Sie ein Beispiel nennen?

Seymour: Für Nike Running machte ich Konzepte, die heute in den Schuh namens "Nike plus" münden. Das war 2002. Der Schuh misst Distanzen und die Zeit. Die Daten werden zum Beispiel auf einen iPod übertragen, den man am Gürtel oder in der Tasche tragen kann. Ein Jahr später arbeiteten wir mit dem Labor von DuPont und entwickelten intelligente Kleidungsstücke mit leitenden Fäden. Diese reagierten auf Wärme und Berührung. Darauf bin ich wirklich stolz.

STANDARD: Ihre Auftraggeber waren oft große Unternehmen wie Nike. Wie wichtig war es für Sie, sich nicht auf den regionalen Markt zu beschränken?

Seymour: Eine internationale Vermarktung in diesem Spezialgebiet ist sehr wichtig. In Österreich gibt es im Zusammenhang mit "Smart Clothes" noch recht wenig. In den USA hat Forschung an Wearable Computing und intelligenter Kleidung einen hohen Stellenwert, hier in Österreich ist das tatsächlich erst im Entstehen.

STANDARD: Leisten Sie einen Beitrag dazu?

Seymour: Wir versuchen, an der Kunstuniversität Linz, wo ich einen Lehrauftrag habe, "Smart Clothes"-Forschung zu etablieren. Wir haben eingereicht und hoffen auf Förderung über die Forschungsförderungsgesellschaft FFG. Es ist hierzulande nicht leicht, Geld für Forschung zu bekommen. Hier unterstützen Förderstellen. Private Investoren gibt es fast nicht.

STANDARD: Ist es in Österreich so, wie Sie sich das nach 14 Jahren in den USA gedacht haben?

Seymour: Ich bin in Österreich, um hier von einem zentralen Punkt aus den europäischen Markt zu bedienen. Ich habe keine sentimentalen Gefühle. Es gibt sehr viele Unterschiede zu den USA. Hier braucht man viel Startkapital, in den USA reichen zur Gründung einer GesmbH eigentlich 300 Dollar. Natürlich besteht dann auch mehr die Gefahr, in eine Pleite zu schlittern. Man hat aber auch mehr Chancen.

In den USA ist es kein Problem, für Projekte aus einem Pool von 20 bis 30 Mitarbeitern aus verschiedenen Disziplinen zu schöpfen. Hier muss das Verständnis für diesen interdisziplinären Ansatz stärker entwickelt werden.

STANDARD: Wie kommen Sie mit diesen Unterschieden zurecht?

Seymour: Ich bin wie ein Hybrid. Ich fühle mich in beiden Welten wohl und auch nicht wohl. Manches mag ich an Österreich sehr, manches nicht. In New York mag ich auch viel, einiges schätze ich nicht so. Das soziale Netz in den USA etwa ist ziemlich katastrophal. Im Grunde wäre es gut, würde man die beiden Kontinente mischen und gut durchschütteln können. (DER STANDARD, Printausgabe, 21. März 2007)