Im Dokumentarfilm Vienna's Lost Daughters, der am Dienstag bei der Diagonale Premiere feierte, geben die Frauen, die inzwischen über achtzig sind, einerseits in Interviews Auskunft über ihre Erlebnisse. Andererseits folgt ihnen die Kamera in ihren New Yorker Alltag. Das erlittene Trauma und das Nachwirken der Vergangenheit spielen dabei eine wichtige Rolle: ganz explizit bei Informationsveranstaltungen zur Prävention von Diskriminierung, eher unerwartet, wenn es plötzlich gilt, seine nationale Zugehörigkeit zu definieren.
Im Zentrum von Vienna's Lost Daughters, einem Projekt von Sonja Amman, Lisa Yuen (Buch) und Mirjam Unger (Regie), stehen dabei jedoch immer die Gegenwart und die "geglückten Leben", die vor dem Hintergrund der einstigen Verfolgung auch etwas Widerständiges haben.
Außerdem wird hier bei allem Verbindenden (dem Festhalten an bestimmten Traditionen, den Vorlieben für Wiener Lieder, die Oper oder Sachertorte) zuerst der jeweiligen Individualität der Protagonistinnen Raum gegeben.
Etwa im Hinblick auf spezifische innerfamiliäre Umgangsformen: die perfekt eingespielte, liebevolle Interaktion zwischen Mutter und erwachsenem Sohn ("My baby!") oder der Austausch zwischen Großmutter und Enkelin (die Tradierungslinien von einer Frauengeneration zur nächsten werden im Film wiederholt thematisiert). Oder auch in Bezug auf unterschiedliche Milieus: zwischen properem Vorstadtheim und Wohnung in der Bronx, zwischen geselligen Bridge-Runden und Yogastunden in Manhattan.
Unauflösbar
Vienna's Lost Daughters ist nämlich nicht zuletzt auch ein schöner Film über das Altern: Da entspinnt sich etwa ein lebhafter Dialog zwischen zwei betagten Freundinnen, die darüber klagen, dass der Umgang mit gleichaltrigen Bekannten mitunter beschwerlich werde - "die reden so langsam" - und man sich für solche Fälle besser ein Kreuzworträtsel neben das Telefon lege.