Die ÖBB weisen anders als andere, reine "Verkehrs"-Unternehmen einen Infrastruktursektor sowie einen gemeinwirtschaftlichen Bereich auf.

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Gerhard Strejcek

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Vor einigen Jahren begannen Nationalrat und Verfassungsgerichtshof, die Privilegien der ÖBB-Unternehmen abzubauen. Was der Gesetzgeber nach dem Umbau der ÖBB in Holding und Spartenunternehmen an gesetzlichen Vorteilen für die ÖBBler übrig ließ, griffen Konkurrenten auf, indem sie gegen Bevorzugungen der ÖBB-Unternehmungen vor das Höchstgericht zogen. Mit Erfolg, da es nicht mit dem Gleichheitssatz vereinbar ist, wenn ein kommunales oder ein privates Speditions- und Busunternehmen für seine Arbeitnehmer Steuern oder Arbeitslosenversicherungs-Beiträge leisten muss, die ÖBB für ihre Bus- und Lkw-Lenker aber nicht.

Zunächst fiel vor dem VfGH die Ausnahme der ÖBB-Unternehmen von der Kommunalsteuerpflicht (VfSlg 14.842/1997=ÖZW 1998, 20 [mit Anm. von Strejcek]. Die Kommunalsteuer ist von der Lohnsumme der Arbeitgeber zu leisten; es war dem VfGH nicht erkennbar, warum die ÖBB in Bereichen, in denen sie im Wettbewerb mit privaten Unternehmen stehen, steuerrechtlich privilegiert waren. Abgesehen von der Gleichheitswidrigkeit bestünden bei solchen Steuererleichterungen auch Probleme mit dem EU-Behilfenrecht. Laut VfGH-Rechtsprechung unterliegen ÖBB-Bedienstete auch der Arbeitslosenversicherungspflicht (VfSlg, 15.366/1998) Aber der VfGH hat gleichzeitig auch angedeutet, dass die Bundesbahnen gemeinschaftsrechts- und verfassungskonform gefördert werden können, ja in manchen Bereichen sogar müssen. Bloß hat der Gesetzgeber diesen Wink bisher übersehen.

Die ÖBB weisen anders als andere, reine "Verkehrs"-Unternehmen einen Infrastruktursektor sowie einen gemeinwirtschaftlichen Bereich auf; beide benötigen nicht nur dringend mehr Mittel, sie dürfen auch nach einhelliger Meinung von einem EU-Mitgliedstaat gefördert werden. Während also Bahnhöfe, Tunnels und Hochleistungsstrecken durch direkte Beihilfen oder Steuererleichterungen subventioniert werden dürfen, ist das für den Bus-, Güter- oder Personenverkehr, wo auch andere Anbieter zum Zug kommen müssen, größtenteils verpönt. In einem Bereich müsste aus Verfassungsgründen ein "Privileg" für ÖBB-Bedienstete, das bereits 1992 abgeschafft wurde, sogar wiederhergestellt werden. Denn es bestehen für ÖBB-Bedienstete, die schon Ende 1992 im Dienststand waren, aufrechte Bundeshaftungen. Dort kann kein Insolvenzrisiko bestehen, und daher ist es auch nicht einsichtig, warum für diese ÖBB-Bediensteten Zuschläge nach dem Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz (IESG) geleistet werden müssen.

Zahlung ohne Gegenleistung

Die Gebietskörperschaften – Bund, Länder und Gemeinden – genießen eine explizite gesetzliche Ausnahme und müssen für ihre Bediensteten nicht für den Insolvenzfall vorsorgen. Dasselbe sollte auch für die betroffenen ÖBBler gelten. Dank Bundeshaftung ist eine Insolvenz ausgeschlossen; die Zuschläge werden daher ohne Aussicht auf Gegenleistung gezahlt. Dass das IESG und die darauf gestützten Verordnungen nicht sakrosankt sind, hat der VfGH bereits klargestellt ( G 39/05, ua. vom 13.10.2005).

Der Gesetzgeber ist also gefragt, auf den Plan zu treten, ehe der VfGH ihn dazu zwingt. Angesichts der mitunter frustrierend langen Fristen für die Verwirklichung bestimmter wichtiger Infrastrukturleistungen wäre es auch rechtspolitisch sinnvoll, in den Bereichen, wo gemeinwirtschaftliche Interessen betroffen sind, EU- und verfassungskonforme Förderungen für die ÖBB wieder einzuführen. Damit könnte auch der Stilllegung von unrentablen Strecken, auf denen Pendler und Schüler transportiert werden, Einhalt geboten werden. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 21.3.2007)