Auf der Hauptversammlung einer AG ist jedem Aktionär auf Verlangen Auskunft über Angelegenheiten der Gesellschaft – einschließlich die Beziehungen der Gesellschaft zu Konzernunternehmen – zu geben, die mit dem Gegenstand der Hauptversammlung in Zusammenhang stehen (§112 AktG). Die Auskunft des Vorstands hat den Grundsätzen einer gewissenhaften und getreuen Rechenschaft zu entsprechen. Ein Vorstand, der auf der HV die Verhältnisse der Gesellschaft und verbundener Unternehmen sowie erhebliche Umstände, die nur einzelne Geschäftsfälle betreffen, vorsätzlich unrichtig wiedergibt, verschleiert oder verschweigt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen (§255 AktG).

Die Auskunft darf vom Vorstand nur soweit verweigert werden, als die angefragten Angaben nach vernünftiger unternehmerischer Beurteilung geeignet sind, der Gesellschaft oder einem verbundenen Unternehmen einen erheblichen Nachteil zuzufügen – oder wenn es die nationale Sicherheit bzw. das wirtschaftliche Wohl des Bundes, der Länder oder der Gemeinden erfordert. Ob ein Auskunftsverweigerungsgrund vorliegt, entscheidet der Vorstand nach vernünftiger unternehmerischer Beurteilung. Verweigert der Vorstand die Auskunft, so kann sich jeder Aktionär in der HV an den Aufsichtsrat wenden.

Weitreichendes Auskunftsrecht

Entscheidet der Aufsichtsrat, dass die Auskunft zu erteilen ist, so hat der Vorstand dem Folge zu leisten; der Aktionär kann dies auch gerichtlich durchsetzen. Bestätigt jedoch der Aufsichtsrat die Aussageverweigerung des Vorstands, dann kann der Aktionär auch kein Gericht mehr in Anspruch nehmen.

Betrachtet man die Literatur zum Aktienrecht, dann reicht das Auskunftsrecht des Aktionärs sehr weit und umfasst zum Beispiel auch alle Aspekte, die mit dem Verhandlungsgegenstand der Hauptversammlung im Zusammenhang stehen (also für dessen Beurteilung von Einfluss sein kann) darunter Fragen wie:

  • die Geschäftslage des Gesamtkonzerns und wichtiger einzelner Geschäftsbereiche,
  • Angelegenheiten anderer Konzerngesellschaften, die sich auf die Gesellschaft auswirken,
  • vertragliche Beziehungen zu Kunden oder Lieferanten
  • Auskünfte über Konkurrenten,
  • persönliche Angelegenheiten der Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder oder von Großaktionären, sofern sie sich auf die Gesellschaft auswirken, und
  • die politische Lage oder die klimatischen Bedingungen an wichtigen Produktionsstandorten.

    Mehr Rechte in Deutschland

    Die Praxis der österreichischen Hauptversammlung spiegelt dieses weitgehende Fragerecht allerdings nur bedingt wider, was angesichts der (spärlichen) Judikatur des Obersten Gerichtshofes nicht weiter verwundert. In einer Entscheidung vom 12.3.1991 urteilte der OGH, dass Fragen eines Aktionärs in der Hauptversammlung über die mit einem ausgeschiedenen Vorstandsmitglied getroffenen Vereinbarungen zum Tagesordnungspunkt "Vorlage des Jahresabschlusses" nicht zu beantworten seien. In einer Entscheidung vom 16.5.2001 heißt es, dass ein Aktionär die Auskunftsverweigerung durch den Vorstand gemäß §112 Abs 3 AktG nur dann gerichtlich weiterverfolgen könne, wenn der Aufsichtsrat sein Auskunftsbegehren unterstützt.

    Ganz anders stellt sich die Situation in Deutschland dar, was vor allem an zwei unterschiedlichen rechtlichen Regelungen liegt. Anders als in Österreich ist im deutschen Aktiengesetz der Maßstab für die Beurteilung einer Auskunftsverweigerung nicht die "vernünftige unternehmerische Beurteilung" des Vorstandes, sondern im einzelnen gesetzlich festgelegte objektive Tatbestände (§131 deutsches AktG); zum anderen kann gemäß §132 des deutschen AktG jeder Aktionär die gerichtliche Entscheidung verlangen, ob eine Auskunft vom Vorstand ordnungsgemäß erteilt oder zu Recht verweigert wurde, selbst wenn der Aufsichtsrat den Aktionär nicht unterstützt. Diese Stärkung der Aktionärsrechte wird in Deutschland auch von den Gerichten mitgetragen, die eine Auskunftspflicht des Vorstandes etwa in folgenden Fällen bejaht haben:

  • Abfindungszahlungen an ausgeschiedene Vorstandsmitglieder,
  • Abstimmungsverhalten in fremden Gesellschafterversammlungen,
  • Aufgliederung von Positionen im Jahresabschluss,
  • konzernexterne Aufsichtsratsmandate von Vorstandsmitgliedern,
  • Einzelergebnisse von Konzerngesellschaften,
  • Ergebnismesszahlen wie EBIT,
  • Konzernumlage und Konzernverrechnungspreise, und
  • Kunstbesitz, Spenden und Sponsoring, insbesondere Spenden an politische Parteien und religiöse Organisationen.

    Der Vorschlag für eine EU-Richtlinie über die Ausübung von Aktionärsrechten bei börsenotierten Gesellschaften (2005/0265 (COD)) zielt darauf ab, durch eine Stärkung der Aktionärsrechte einschließlich des Fragerechts der Aktionäre den europäischen Kapitalmarkt zu stärken. Es wäre wünschenswert, wenn in Österreich im Rahmen der Umsetzung, die voraussichtlich bis Ende 2007 erfolgen muss, nach dem Vorbild des deutschen Aktiengesetzes auch das Fragerecht der Aktionäre gestärkt werde. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 21.3.2007)