Kamischewatskaja - Missachtung von Sicherheitsbestimmungen, Nachlässigkeit des Personals und giftige Bausubstanzen haben einen Brand in einem südrussischen Altersheim zur verheerenden Katastrophe gemacht. 62 Menschen kamen in der Nacht auf Dienstag in Kamischewatskaja am Asowschen Meer ums Leben, 35 wurden verletzt, wie das Ministerium für Katastrophenschutz mitteilte. Demnach wurde die Opferbilanz durch eine Kette tragischen Fehlverhaltens entschieden erhöht.

Der Nachtwächter, der sich außerhalb des Alten- und Pflegeheims aufhielt, ignorierte die Warnsignale einer nur unvollständig installierten Feueralarmanlage zwei Mal. Er rief die Rettungskräfte dann kurz nach 1.00 Uhr Ortszeit, als bereits hohe Flammen aus dem Gebäude schossen. Da die Feuerwache in dem Dorf im vorigen Jahr geschlossen wurde, musste die Feuerwehr aus der gut 50 Kilometer entfernten Stadt Jeisk anrücken. Dafür brauchte sie eine Stunde. Erst gegen 5.00 Uhr konnte der Brand schließlich gelöscht werden.

Schlüssel für Notausgang fehlte

Insgesamt befanden sich den Behörden zufolge 97 Menschen in dem zweigeschossigen Backsteingebäude, als das Feuer ausbrach, darunter nur eine Krankenschwester und drei Pfleger. Das restliche Nachtpersonal war nicht anwesend. Die Evakuierung der Heimbewohner verzögerte sich dann weiter, weil der Schlüssel für den Notausgang nicht gefunden wurde.

Ein Anwohner von Kamischewatskaja berichtete im Fernsehensender NTW, er habe verzweifelt versucht zu helfen. Es sei aber unmöglich gewesen, betagte Menschen über eine Leiter aus dem zweiten Stock in Sicherheit zu bringen. "Wenn bloß die Feuerwehr früher hier gewesen wäre!" klagte Jewgeni Solomin.

Medienberichten zufolge starben die meisten Opfer, darunter auch die anwesende Krankenschwester, an Rauchgasvergiftungen. Das Büro des russischen Generalstaatsanwalts teilte mit, dass die Innenwände des Heims kürzlich neu verkleidet worden seien und dass die Substanzen giftige Gase freigesetzt hätten. Die Rauchentwicklung sei dadurch vor allem im zweiten Stock sehr stark gewesen.

Als mögliche Ursache der Katastrophe nannten die Behörden Fahrlässigkeit, einen Kurzschluss oder Brandstiftung. In Russland kommt es wegen mangelnder Sicherheitsvorkehrungen häufig zu Großbränden mit einer durchschnittlichen Todesquote von fast 18.000 Menschen im Jahr, was pro Kopf der Bevölkerung als ungewöhnlich hoch gilt. 2006 wurden dem Katastrophenschutzministerium zufolge landesweit fast 600 Feuer pro Tag registriert.

Erst im vergangenen Dezember kamen bei einem Brand in einer Moskauer Suchtklinik 45 Patientinnen ums Leben. Viele der Opfer konnten den Flammen nicht entkommen, weil die Fenster vergittert waren. (APA/AP)