Hannover/Bremen - Bei einer Tauchexpedition in die marinen Höhlensysteme der Bahamas machten Biologen einen ebenso großen wie winzigen Fund: Sie sammelten fünf Larven der mysteriösen Remipedia, einem erst vor rund 25 Jahren entdeckten und äußerst seltenen Höhlenkrebs, den Forscher wegen seiner einzigartigen Physiologie bislang als Urzeit-Krebs einstuften. Diese Einschätzung müssen Zoologen nun vielleicht revidieren. Denn die von den Biologen erstmals eingefangenen etwa einen Millimeter großen Larven liefern Hinweise darauf, dass Remipedien keine lebenden Fossilien, sondern stark an ihre Lebensumgebung angepasste Krebse sind. Über ihre außergewöhnliche Beute berichten deutsche Wissenschaftler in der Fachzeitschrift "Evolution & Development".

Anpassung an Lebensraum

"Von ihrem Aussehen her ähneln die Remipedien auf dem ersten Blick einem Tausendfüßler", sagt Christoph Held vom Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI). "Da sie im Gegensatz zu anderen Krebsen keinen festen Panzer haben, können sie in enge Spalten hineinkriechen und sich dort verstecken." Die Remipedien leben in zum Teil kilometerlangen Höhlensystemen, die gegen Ende der Eiszeit von Salzwasser überflutet wurden. Dort haben sich die zwischen neun Millimeter und 4,5 Zentimeter großen Remipedien an ihren lichtlosen Lebensraum angepasst: Sie sind schneeweiß und blind.

Die Wissenschaftler sammelten insgesamt fünf Larvenexemplare in verschiedenen Entwicklungsstadien. Dabei entdeckten sie Gemeinsamkeiten zwischen den frühen Larvenstadien der Remipedia und den Larven einer höheren Krebsart, den Malacostraca. "Die genaue Reihenfolge in der Abfolge des Stammbaums ist aber weiterhin unklar", sagt Held. Doch Remipedien stellen die Forscher vor viele Rätsel. "Wir wissen nicht einmal, wie alt die Remipedien werden."

Verbreitungsgebiet

Ihr größtes Geheimnis bleibt allerdings ihr Verbreitungsgebiet, das sich in der Karibik von der mexikanischen Halbinsel Yukatan bis zu den Bahamas erstreckt. Daneben fanden Forscher aber auch zwei Arten in Lanzarote und Westaustralien." Da Remipedien noch nie außerhalb ihres Lebensraums gefunden wurden, ist völlig unklar, wann und wie sie es geschafft haben, so weit voneinander entfernte Höhensysteme auf beiden Seiten des Atlantischen und Indischen Ozeans zu besiedeln", sagt Stefan Könemann vom Institut für Tierökologie und Zellbiologie der Tierärztlichen Hochschule Hannover.

Wegen der Unzugänglichkeit der marinen Höhlensysteme seien die Remipedien so lange unentdeckt geblieben. "Heute gefährden Bauvorhaben und Abwassereinleitungen ihren Lebensraum", so Held. Die Krebstiere wurden Anfang der 1980er Jahre bei einem Tauchgang in Höhlensystemen der Bahamas erstmals gefunden. (pte)