Wien - Der Bräutigam ist schüchtern. "Er ist erst gestern aus der Türkei gekommen", entschuldigt die Familie seine Zurückhaltung. Der Braut geht es nicht anders - den Spaß haben auf dieser Hochzeit eindeutig die anderen. Help yourself, marry me! ist der Titel einer Serie zum Thema Zwangsheirat von Eva Brenners Projekttheater Fleischerei. Am Freitag wurde im Ragnarhof beim Brunnenmarkt ein Hochzeitsritual mit türkischen Jugendlichen der zweiten und dritten Generation inszeniert.

Die Geschichte, die sich um die (letztlich abgebrochene) Zeremonie herum entwickelt, basiert auf Improvisationen, Erzählungen und den realen Biografien der Mitwirkenden, vorrangig aus dem Jugendzentrum Aichholzgasse, diskutiert werden typische Konflikte von Migranten unterschiedlicher Herkunft sowie kulturelle Traditionen.

Tradition ohne Klischees

Zeynep und Murat sollen vermählt werden, Stolz, Familienname und Ehre müssen in die nächste Generation weitergetragen werden. Murat erfüllt dabei nicht einmal gängige Klischees über einen grausamen, reichen und viel zu alten Patriarchen, er ist im Gegenteil ein netter Kerl, jung, mit guten Vorsätzen, bloß hat ihn seine Braut vor der Feier eben noch nie gesehen.

Das Spannende an diesem Theaterprojekt zweier türkisch-österreichischer Regisseurinnen (Emel Heinreich und Asli Kislal) ist dem Publikum nicht zugänglich, sondern ein Prozess, in dem junge Türken aus Wien ihre Lebenssituation zum Gegenstand eines emanzipatorischen Annäherungsversuchs machen. Bis 2009 produziert die Fleischerei unter dem Übertitel Creating Alternatives eine Reihe "soziotheatraler Experimente" im Kontext von Migration und Integration.

Fixpunkt ist dabei etwa die Serie "migration mondays": Kitchen Stories - beim Kochen erzählen Türken, Armenier und Kurden von Flucht und Exil, Lebensweisen in Wien und diskutieren die aktuelle Rolle der Türkei in Europa. Zum Dialog wird außerdem mit Impulsen nach Texten von Orhan Pamuk angeregt. (Isabella Hager, DER STANDARD print, 19.3.2007)