Mit dem Eintritt in die rot-schwarze Koalition hat sich die ÖVP zwei Maximen verschrieben. Erstens: weiterregieren wie in den letzten sieben Jahre unter Kanzler Schüssel. Zweitens: ab sofort alles tun, um so bald wie möglich neuerlich den Kanzler stellen zu können. Berücksichtigt man, dass die ÖVP am 1. Oktober 2006 für die Politik Schüssels spektakulär abgewählt wurde, enthält die Kombination der beiden Maximen eine unverfrorene Botschaft an die Wählerinnen und Wähler: Beim letzten Urnengang wart ihr zu dumm, unsere politische Genialität zu erkennen, aber wir geben euch eine neue Chance.

Diese Botschaft den Adressaten schmackhaft zu machen, bemüht sich seit demnächst einem halben Jahr erst zur Verblüffung, inzwischen nur noch zur resignativen Kenntnisnahme, Alfred Gusenbauer. Nein – zu sagen, dass er sich tatsächlich „bemüht“, wäre ungerecht, es beginnt nur allmählich so zu wirken. Was an seiner Methode liegt, sich jede gezielte Demütigung durch den Koalitionsgegner als zumindest teilweisen Erfolg oder als das Wirken höherer Mächte, gegen die man halt nichts ausrichten könne, schönzureden, statt offen auszusprechen, wo der Wurm dieser Koalition sitzt.

Taktische Überlegenheit der Volkspartei

Dazu müsste man allerdings anerkennen, dass in der SPÖ zurzeit kein Kraut gegen die taktische Überlegenheit der Volkspartei gewachsen ist. Das tägliche Gekeife aus der Bundesgeschäftsführung kann niemanden darüber hinwegtäuschen, dass der Bundeskanzler täglich als seinem Amt nicht gewachsen vorgeführt und am Krepierhalfter der Volkspartei weiterwanken soll, bis diese den Termin für Neuwahlen für günstig hält.

Das letzte Beispiel der Erbschaftssteuer hat das deutlich gezeigt. Molterer hielt es nicht einmal mehr für notwendig, den Spruch der Verfassungsrichter in seiner Komplexität zu würdigen, sondern nur noch unter dem Aspekt, wie weit er sich zum Nutzen ihrer Klientel und zur Bloßstellung des Bundeskanzlers eignen könnte.

Provokation

Ohne sich überhaupt auf einen Versuch, koalitionäre Übereinstimmung zu finden, einzulassen, sich per Parteivorstandsbeschluss auf das Auslaufen der Steuer festzulegen, war eine Provokation. Diese auch gleich mit dem Versuch zu verbinden, den Spielraum des Bundespräsidenten einzuengen, darüber hinaus eine Unverschämtheit, die aber zeigt, dass man in der ÖVP weiter denkt, und wie man denkt.

Wenn Gusenbauer nun Molterer veranlassen will, die verlorenen Einnahmen aus der Erbschaftssteuer in der schon jetzt pompös angekündigten großen Steuerreform zu berücksichtigen, ist das so lange weder ein Kompromiss noch ein Trost, bis man weiß, ob sich dieser dann auch daran hält, und in welcher Weise – also möglicherweise nie.

Naive Hoffnung

Die Hoffnung der SPÖ, alles werde sich schon irgendwie einrenken und abgerechnet werde am Ende der Legislaturperiode, erscheint nach allen bisherigen Erfahrungen als naiv. Dass die ÖVP Gusenbauer je den Erfolg einer Staats- und Verwaltungsreform gönnt, die diesen Namen verdient – und das war eine der Begründungen für diese Koalition –, ist nicht anzunehmen. Sie erhält ihn sich bis auf Weiteres viel lieber in dem Dilemma, nichts gegen sie durchsetzen, aber die Koalition auch nicht auflösen zu können, weil er sonst als gescheitert hingestellt werden könnte.

Abgerechnet wird nicht erst am Ende, sondern jetzt, jeden Tag. In drei Jahren mit dem Slogan „Wir hätten ja eh gewollt“ vor die Wähler hinzutreten wird nicht reichen, und besser wird’s nicht. Konträr: Schüssel kehrt als Europa- und außenpolitischer Sprecher der ÖVP wieder. Damit es der Bundeskanzler im Ausland nicht zu leicht hat. (Günter Traxler, DER STANDARD, Printausgabe 16.3.2007)