Schilcher, lange als rabiater Sauertopf verschrien, profitiert von heißen Jahrgängen und neuem Qualitätsdenken. Er wandelt sich zum Lagenwein und wird auch vermehrt rot ausgebaut - in bemerkenswerter Qualität

Früher musste man entweder Brettljausenfanatiker oder eingefleischter Steirer sein, um den Rosé aus der Blauen Wildbachertraube, der in der Weststeiermark rund um Stainz, St. Stefan und Deutschlandsberg beheimatet ist, wirklich zu schätzen. Er schmeckte einigermaßen fruchtig und schimmerte "zwiebelschalenfarben", in einem leicht gelbstichigen Altrosa, im Glas. Vor allem an der Säure, die der Rebsorte von Natur aus immanent ist, stießen sich viele, die nicht zu den eingangs erwähnten Zielgruppen gehörten: Denn diese ist, wie bei einer Rotweintraube in kühleren Gefilden nicht unüblich, wirklich sehr kräftig. Und das mochte man, oft aber halt auch nicht.

Doch Schilcher ist in den vergangenen Jahren vom säuerlichen Erfrischungsgetränk zu Verhackertem und Hartwürstl zum rotfruchtig-mineralischen Wein geworden, der viel mehr kann als trocken und leicht und rosa zu sein und der es auch verdient, aus der "Sommerwein"-Ecke herausgerückt zu werden. Die Ansprüche an die Qualität sind heute deutlich höher als noch vor zehn, fünfzehn Jahren und werden heute auch mit mehr bodenkundlichem und technischem Know-how umgesetzt. Die mineralischen Geschmacksnoten durch den Stainzer Plattengneis oder "Opak-Boden", so die lokale Bezeichnung, und auch die Fruchtigkeit wurden klarer und intensiver.

Schilcher aus besonderen Lagen wie Engelweingarten mit seinen Uralt-Anlagen, aus Hochgrail, Birkhofberg bei St. Stefan oder aus der Ried Burgegg in Deutschlandsberg sind hochkomplexe Weine, was die Abfüllung als wertige, lagerfähige Lagenweine jedenfalls rechtfertigt. Dazu kam ein sehr heißer Jahrgang 2003, in dem der dem Schilcher nachgesagten "Rabiatheit" durch hohe Zuckergradationen die Spitze genommen wurde. Und so platzte Schilcher mitten in den Roséboom, was unter den Winzern wieder einiges an Experimentierlust auslöste: "Schauen wir, was denn da noch so alles geht."

Christian Reiterer serviert bereits seit vielen Jahren Schilcher als appetitanregenden Frizzante oder Sekt, wofür sich die Rebsorte sehr gut eignet: Denn Grundweine für Schaumweine müssen - egal, wo in der Welt sie hergestellt werden - eine gewisse Säuerlichkeit und Fruchtigkeit aufweisen, um auch als Sprudel interessant zu sein. Franz Strohmeier wieder experimentiert im Prädikatsweinbereich der Eisweine, Beeren- und Trockenbeerenauslesen. Auch dafür eignet sich Blauer Wildbacher sehr gut, da die Säure ein gutes Gegengewicht zur ausgeprägten Süße dieser Weinstile bildet und das Ganze vom intensiven Aroma und Geschmack rotbeeriger Früchte überlagert wird.

Neuerdings wird Blauer Wildbacher immer öfter als Rotwein klassisch oder auch mit Barriqueeinsatz ausgebaut. Die fruchtig-strengen Rotweine, die nach dunklen Beeren duften, haben vielleicht Erklärungsbedarf, fügen sich aber gut in den derzeitigen Trinktrend von "Nicht allzu mächtig" und "Lieber Frucht- als Holzgeschmack". Der Begriff "Schilcher" bezieht sich nur auf jene Rosé-Weine, die zu 100 Prozent aus der Wildbacher-Traube sind und in der Steiermark hergestellt werden. Als Rotwein ausgebaut heißen sie nach der Rebsorte, die ein wahrer "Methusalem" ist. Aus Traubenkernfunden schließt man, dass sie bzw. deren Vorläufer schon von den Kelten in der Gegend zu Wein vergoren wurde. In einem Weinbuch aus 1580 wurde die Sorte erstmals namentlich erwähnt. Auch Erzherzog Johann (1782-1859), umtriebiger Fan des Weinbaus allgemein und der Sorte im Speziellen, förderte sie nach Leibeskräften.

2006 verspricht, so erzählt Stefan Langmann (Langmann vulgo Lex), ein weiteres "tolles Schilcher-Jahr" zu werden, "so schwierig es zu Beginn ausgesehen hat." Er schwärmt von "perfekter Ausreifung in einem idealen Herbst", "eingebundener Säure" und "Fruchtpräsenz"-- zu probieren bereits jetzt und nicht erst ab dem Sommer. (Luzia Schrampf, DER STANDARD/RONDO - Printausgabe, 16. März 2007)