Berlin - Die USA wollen die Stationierung einer Raketenabwehr in Europa nicht zu einem NATO-Projekt machen. Der Chef der US-Raketenabwehrbehörde, Generalleutnant Henry Obering, betonte am Donnerstag bei einem Besuch in Berlin zwar die Bereitschaft zur Kooperation mit den Partnern im transatlantischen Bündnis.

Er machte aber deutlich, dass die USA nicht gewillt sind, die Federführung bei dem Projekt aus der Hand zu geben. Der Staatsminister im deutschen Auswärtigen Amt, Gernot Erler (SPD), sagte im Deutschlandfunk, die "gigantische" Investition in ein Defensivsystem wie die Raketenabwehr sei auch Aufrüstung. Dies mache es schwieriger zu argumentieren, dass Staaten, die nicht an dem Schild beteiligt seien, auf die Entwicklung von Atomwaffen verzichten sollten.

Russland kritisiert Aufrüstung

Die USA wollen innerhalb der nächsten fünf Jahre zehn Abwehrraketen in Polen und ein Radarsystem in Tschechien stationieren. Noch in diesem Jahr sollen die entsprechenden Abkommen abgeschlossen werden. In Russland haben die Pläne große Besorgnis ausgelöst und zu scharfen Reaktionen geführt. Präsident Wladimir Putin hatte den USA auf der Sicherheitskonferenz in München im Februar militärisches Abenteurertum, ausufernde kriegerische Gewalt und eine gefährliche Missachtung des Völkerrechts vorgeworfen.

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte dafür plädiert, das Abwehrsystem unter das Dach der NATO zu stellen. "Ich finde, wir sollten dabei bleiben, es als eine NATO-Aufgabe insgesamt zu sehen, und dafür werde ich werben", sagte sie am Dienstag in einem Interview. Bei ihrem Besuch in Polen am (morgigen) Freitag und Samstag will sie das Thema ansprechen. Obering verwies darauf, dass bisher ohnehin nur "eine Hand voll Programme" im Rüstungsbereich von der NATO gesteuert würden. Die große Mehrheit seien aber nationale Projekte. Das US-System solle eine von der NATO geplante Raketenabwehr für kürzere Strecken ergänzen.

"Ausschließlich gegen den Iran gerichtet"

Die russischen Bedenken gegen die Raketenabwehr wies Obering zurück. Er betonte, dass das Raketenabwehrsystem ausschließlich gegen den Iran gerichtet sei. "Es bedroht in keiner Weise die russische Raketenflotte." Den hunderten russischen Raketen mit tausenden Sprengköpfen stünden nur zehn US-Abwehrraketen gegenüber. Von ihrer Position in Polen könnten sie die russischen Raketen gar nicht erreichen. Es gebe eine weiter gültige Einladung an die Russen, Raketenbasen in den USA zu besichtigen, betonte Obering. "Wir werden die Konsultationen fortsetzen." Die NATO sei bereits seit einem Jahr in die Planungen eingebunden. Eine Stationierung von Abwehrraketen oder Radargeräten in noch kürzerer Entfernung zur iranischen Grenze in Georgien schloss der General aus. "Das ist viel zu nah", sagte er zur Begründung. (APA/AP)