Girard-Perregaux

Wer hat an der Uhr gedreht

Foto: Hersteller

Eine einfachere Frage gibt es nicht. Was ist Zeit? Eine ebenso simple Antwort fehlt bis heute. Bereits der Kirchenlehrer Augustinus musste passen. "Was also ist die Zeit?", grübelte er in den "Confessiones". Das dürftige Resultat tief schürfender Reflexionen: "Wenn mich niemand danach fragt, weiß ich es; will ich es jedoch einem Fragenden erklären, weiß ich es nicht mehr."

Albert Einstein forderte Anfang des 20. Jahrhunderts mit seinen Theorien den gesunden Menschenverstand heraus, hatte aber auch eine leicht verdauliche Antwort parat: Die Zeit sei nicht absolut, sondern relativ. Schon deshalb könne sie immer nur das sein, was man von der Uhr abliest. Hinter dem scheinbar Trivialen verbirgt sich eine fundamentale Erkenntnis: Bewegte Uhren gehen langsamer als stationäre! Die Frage "Wie spät ist es?" muss es also fast zwangsläufig stets mehrere Antworten nach sich ziehen. Sie hängen davon ab, wer fragt und wer antwortet und wie sich beide in Bezug zueinander bewegen.

Jetzt aber Schluss mit der Theorie! Folgen wir Einstein und seien wir praktisch: "Die Zeit ist das, was man von der Uhr abliest." Punkt!

Hang zum Minimalismus

Eine Uhr besteht im Prinzip immer aus den gleichen Teilen: Gehäuse, Werk, Zeitanzeige. Das ästhetische Zusammenwirken von Zifferblatt und Zeiger, das Design, befreit das mechanische oder elektronische Uhrwerk aus seiner Anonymität. Und da liebt man's opulent. Geprägt durch schiere Größe, beachtliche Bauhöhe sowie Zifferblätter, die vor Indikationen nur so strotzen. Die kostbare, weil unwiederbringliche Zeit tritt vor dem Uhren-Hedonismus in den Hintergrund. Doch keine Bewegung ohne Gegenbewegung: Weithin erkennbare chronometrische Statussymbole lassen sich mit Edeldress, Smoking oder Frack kaum vereinbaren. Die tun sich nämlich schwer damit, zu gegebener Zeit ganz dezent unter die Manschette zu schlüpfen oder neben dem zarten Cocktailkleid selbstverständlich zu wirken.

Dieses Faktum ist auch Luigi Macaluso bestens bekannt. Und ein oberflächlicher Blick auf die Kollektion seiner Luxusuhrenmarke Girard-Perregaux zeigt, dass der Italiener die Zeitboliden wie seine Sea Hawk II pro (44 Millimeter groß, zwei Zentimeter dick, bis 3000 Meter wasserdicht) liebt. Der studierte Architekt hat aber auch einen Hang zum gestalterischen Minimalismus.

Besinnung auf das Wesentliche

Luxus hat in seinen Augen "wenig mit dem Preis einer Uhr zu tun" oder ihrem Material. Eine Uhr ist ein seltsames Teil - sie ist kein Instrument, kein Schmuckstück, sondern ein Objekt, das einem unterschwellig mitteilt, wie die Zeit vergeht. Deshalb verbinden wir so viele Emotionen mit einer Uhr. Ihre Schönheit ist allerdings vergänglich. Ein Ausweg daraus ist die Schlichtheit. Dem Wort Schlichtheit liegt ein Besinnen aufs Wesentliche zugrunde, daraus resultiert eine Vollkommenheit, die nach Antoine de Saint-Exupéry dann entsteht, wenn man nichts mehr wegnehmen kann.

Der Turiner "Dottore" blickte in die Archive des Jahres 1966. Damals entstanden weltweit 134,6 Millionen Uhren und Werke, 52,5 Millionen davon aus Schweizer Produktion. Eidgenössische Uhrenfabrikanten präsentierten den voluminösen Prototyp einer Quarz-Armbanduhr, Beta 1 genannt. Insgeheim werkelten bereits auch die Techniker von Girard-Perregaux an jenem elektronischen Uhrwerk fürs Handgelenk, das 1969 den internationalen, bis heute gültigen Frequenzstandard von 32.768 Hertz definierte.

38 Millimeter

Davon ist das, was Girard-Perregaux seit kurzem unter dem plakativen Kürzel 1966 wieder offeriert, weit entfernt. Es tickt ganz konventionell und beschränkt sich optisch auf das Mindeste: Drei Zeiger für Stunden, Minuten und Sekunden, die vor einem weitgehend leeren Zifferblatt mit zurückhaltendem Datumsfenster rotieren. Auch das zugehörige Gehäuse bietet nicht mehr, als es zur Ausübung seiner schützenden Funktion benötigt.

Überdies bringt Girard-Perregaux seine langjährige Manufaktur-Kompetenz ins Spiel. Die nennt sich Kaliber 3300, ist bei einem Durchmesser von 26 Millimetern nur deren 3,28 hoch und versorgt sich dank effizient wirkendem Goldrotor automatisch mit Energie. Das zugehörige Weiß- oder Roségoldgehäuse bringt zeitgemäße 38 Millimeter zwischen die Backen einer Schieblehre und trägt mit seinen rund acht Millimetern Höhe am Handgelenk kaum auf. Unverbesserlichen Hedonisten verhilft ein Saphirglasboden zu ihrem Recht auf Sinneslust. (Gisbert L. Brunner/Der Standard/Rondo/16/03/2007)