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Martin Bursík zum Melker Abkommen: Noch kein offizieller Vorbehalt Österreichs zu Temelín

Foto: REUTERS/David W Cerny
Tschechiens Grüne, seit Jänner in der Regierung, akzeptieren zwar widerwillig, aber doch das Atomkraftwerk Temelín. Ihr Chef, Umweltminister Martin Bursík, warnt im Gespräch mit Robert Schuster vor unerwünschten Folgen von Grenzblockaden

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Standard: Was halten Sie als erster grüner Umweltminister Tschechiens und deklarierter Atomkraftgegner von der österreichischen Kritik an Temelín und den Grenzblockaden?
Bursík: Ich kann das in gewisser Weise nachvollziehen, weil in Österreich eine höhere Sensibilität für Umweltfragen wie auch gegenüber den Risiken von Atomkraftwerken besteht. Ich verstehe also die Österreicher, aber Grenzblockaden sind keine Lösung. Zudem besteht die Gefahr, dass wegen der Blockaden auch Menschen mit einer ursprünglich neutralen Haltung, die das eine oder andere Mal an der Überquerung der Grenze gehindert wurden, neue Unterstützer der Kernkraft werden.

Standard: Werden die tschechischen Grünen in der Regierung versuchen, eine Abschaltung des AKW durchzusetzen?
Bursík: Wir sehen das Kraftwerk als Realität, auch wenn wir keine Freude damit haben. Die Argumente, mit denen der Fertigbau Temelíns gerechtfertigt wurde, waren nicht korrekt. Zum Beispiel wurden die nordböhmischen Braunkohlekraftwerke im Gegenzug nicht stillgelegt. Es war auch nicht so, dass dem Land ohne Temelín ein Strommangel gedroht hätte. Im Gegenteil, Tschechien gehört heute zu den stromexportierenden Ländern in Europa. Wegen der konstanten Mängel ist jedoch die Effizienz Temelíns äußerst unterdurchschnittlich. Wir haben bei den Koalitionsverhandlungen durchgesetzt, dass die Regierung keine neuen Atomkraftwerke plant. Gleichzeitig stimmt aber auch, dass ein Ausstieg aus Temelín nicht vereinbart wurde.

Standard: Dennoch hält Österreichs neue Bundesregierung an der so genannten. "Null_variante", also der Abschaltung Temelíns, fest. Wie wurde das in Prag aufgegriffen?
Bursík: Wir waren überrascht. Mir scheint, dass das irgendwie zur österreichischen Politik gehört; die Politiker wissen, dass die öffentliche Meinung sehr kritisch gegenüber der Atomenergie und insbesondere Temelín ist. Ich denke aber, dass das vonseiten Österreichs jetzt nicht auf der Tagesordnung sein wird. Ich wäre froh, wenn wir eine weitaus engere Zusammenarbeit bei anderen Themen im Bereich des Umweltschutzes und der Energiegewinnung finden würden, wo Österreich sehr stark ist. Das Ausmaß, wie in Österreich erneuerbare Energien genutzt werden, etwa Biomasse zum Heizen, ist enorm. Wir wollen an diesen Erfahrungen teilhaben und ich habe großes Interesse an einer Zusammenarbeit.

Standard: In wie weit gehen die Standpunkte der Experten beider Länder auseinander, welche die erreichten Sicherheitsstandards bei Temelín, so wie sie im Melker Abkommen vereinbart wurden, bewerten?
Bursík: Ich habe dem tschechischen Außenministerium eine Expertenanalyse meines Ministeriums zukommen lassen, die darauf hinweist, dass es in zwei konkreten Fällen bestimmte Einwände geben könnte – unter anderem bei den Sicherheitsventilen. Solange aber kein offizieller Vorbehalt vonseiten Österreichs formuliert wird, lässt sich über nichts verhandeln. Sobald dieser Vorbehalt präsentiert wird, werde ich dafür eintreten, dass wir unsere Verpflichtungen einhalten.

Standard: Nicht nur bei der Atomenergie, sondern auch beim geplanten US-Raketenabwehrsystem haben die tschechischen Grünen eine Meinung, die von den beiden Regierungspartnern abweicht. Könnte das für die Grünen zur Koalitionsfrage werden? Bursík: Wir haben die Bedingung formuliert, dass von der US-Regierung erklärt werden muss, dass sie dieses System als Bestandteil des künftigen Verteidigungssystems der Nato versteht. Zudem müssen auch unsere Partner im Nato-Rat und in der EU einverstanden sein. Dann wäre die Radaranlage für uns akzeptabel. Über das Raketenabwehrsystem steht im Koalitionsvertrag nichts drinnen, wir würden also unseren weiteren Verbleib in der Regierung nicht davon abhängig machen. (DER STANDARD Printausgabe 14.3.2007)