In Österreich gibt es 400 verschiedene anerkannte Berufe, davon 270 Lehrberufe. Insgesamt gab es 2005 laut WKÖ österreichweit 122.378 Lehrlinge, davon 82.120 männliche und 40.258 weibliche. Trotz des großen Angebots an Lehrberufen sind 66 Prozent der Mädchen in nur sechs Lehrberufen tätig, wie Daniela Winkler von Mafalda – Verein zur Förderung und Unterstützung von Mädchen und jungen Frauen, Graz, zu berichten weiß. Dies sind laut Lehrlingsstatistik 2005 der WKÖ der Einzelhandel, Friseurin und Perückenmacherin, Bürokauffrau, Restaurantfachfrau, Gastronomiefachfrau und Köchin.
Obwohl diese Lehrberufe aufgrund der Kollektivverträge im Vergleich zu anderen sehr schlecht bezahlt sind, wählen Mädchen nach wie vor traditionelle Frauenberufe. Von solchen ist dann die Rede, wenn der Frauenanteil über 50 Prozent liegt, was bei oben erwähnten bis auf den Beruf Köchin auf alle zutrifft. Warum sich die Mädchen für diese Berufe entscheiden, erklärt sich Daniela Winkler folgendermaßen:
Rollenkonforme Verhaltensweisen werden gefördert
Das Interesse der Mädchen wird von klein auf in Richtung helfende Berufe gelenkt. Rollenkonforme Verhaltensweisen werden gefördert, nicht konform gehende Stereotype werden unterdrückt. Deshalb arbeiten viele Mädchen in Dienstleistungsberufen, sowie im Pflegebereich. Die beruflichen Vorbilder der Mädchen sind hauptsächlich Frauen, die in traditionellen Berufen tätig sind. Das kommt daher, dass sie in einem familiären und gesellschaftlichen Umfeld aufwachsen, in dem der Großteil der Frauen in traditionellen Berufen arbeitet und die Mädchen deshalb auch wenige andere Vorbilder finden.
Bei der Berufswahl der Mädchen wird die Familiengründung mit eingeplant und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie überdacht. Der Beruf ist zwar wichtig, aber genauso wichtig ist die Familienplanung. Das Gehalt hat nicht denselben Stellenwert wie bei Burschen, weil großteils angenommen wird, dass bei Geburt eines Kindes der Mann weiter arbeitet. Mädchen denken bei der Berufswahl eine mögliche Teilzeitanstellung mit. Es stimmt zwar, dass in traditionellen Frauenberufen Teilzeitbeschäftigung gut möglich ist, dafür kann es ein Problem sein, einen Vollzeitjob zu finden. Die Berufsentscheidung passiert in der Phase der Pubertät. In der Auseinandersetzung mit der Geschlechtsspezifizierung kommt es bei Mädchen oft zu einer übersteigerten Form von Positionierung als Frau. Das gelingt noch besser, wenn der gewählte Beruf ein "typisch weiblicher" ist.
Die Einkommensschere geht früh auf und nie mehr zu
Dass der Blick auf die Zahlen beschämend ist, zeigte die ehemalige SPÖ-Bundesfrauenvorsitzende Barbara Prammer bei der Begrüßung zur Enquete "Einkommen und Geschlecht: Strategien für mehr Einkommensgerechtigkeit in Österreich" im Juli 2005 im Renner-Institut auf. Denn bezüglich der Einkommensstatistik der Lehrlinge lässt sich folgendes sagen: 2004 hatte ein männlicher Lehrling im Jahr durchschnittlich nicht ganz 6.000 Euro zur Verfügung, ein weiblicher hingegen nur 4.800 Euro.
Der Broschüre "Spurensuche – Eine Entdeckungsreise durch die Berufsorientierung für Eltern und Töchter" des Projektes "mut! – mädchen und technik" kann man entnehmen, dass eine KFZ-Technikerin im vierten Lehrjahr bereits um 186 Euro mehr verdient als eine ausgelernte Einzelhandelskauffrau. Ebenso erhält zum Beispiel eine Maschinenbautechnikerin im dritten Lehrjahr bereits um 265 Euro mehr als eine Friseurin im selben Lehrjahr. Die Tatsache, dass der Frauenanteil beim Beruf FriseurIn (292 Euro im ersten Lehrjahr) 94 Prozent beträgt, beim Beruf DachdeckerIn (579 Euro im ersten Lehrjahr) beispielsweise hingegen 0,3 Prozent, zeigt, wo der "Scherenschnitt" beginnt: ein Umdenken der Mädchen bezüglich Berufswahl muss parallel zu allen anderen Maßnahmen stattfinden.
Gleichwertige Arbeit heißt nicht gleicher Lohn
Auch wenn Mädchen sich für besser bezahlte Berufe entscheiden, heißt das noch nicht, dass sie deshalb gleichviel verdienen wie Männer. In "Gleicher Lohn für gleiche und gleichwertige Arbeit – Leitfaden zu Bestimmungen der Entgeltgleichheit und nicht diskriminierender Arbeitsbewertung" vom Bundesministerium für Gesundheit und Frauen (Wien 2004) ist zu lesen, dass Frauen im österreichischen Durchschnitt im Jahr pro Stunde um 20 Prozent weniger verdienten als Männer. Das liegt nicht so sehr in der bewussten Absicht von UnternehmerInnen. Vielmehr muss es als Produkt einer gesellschaftlich gewachsenen Praxis der Bewertung und Entlohnung von Frauenarbeit gesehen werden. Und diese Praxis gilt es zu hinterfragen, um eine Voraussetzung für die Geschlechtergleichstellung in Bezug auf Entlohnung erlangen zu können.
Equal Pay-Projekt