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Andau - Manchmal implodiert der große Gedanke von Europa zu einem kleinen, unscheinbaren Punkt am Ende der Schengener Welt. Der heißt dann, zum Beispiel, Andau. Jenes Andau im burgenländischen Seewinkel, das der US-Bestsellerautor James A. Michener einst weltberühmt gemacht hat, aufgrund der kleinen, hölzernen Brücke über den Einser-Kanal, die der enge Flaschenhals war in die Freiheit herüber, von Ungarn ins Österreichische. Das implodierte Europa ist, in diesem Beispiel, der äußerste Winkel des Campingplatzes am Teich, den die Andauer "Pusztasee" nennen. Zum 20. Mal schlagen hier die Pöttschinger Naturfreunde ihr Sommerlager auf, und mitten unter ihnen, emsig im Küchenzelt, werkt Christa Prets, die seit ziemlich genau einem Jahr ihren Arbeitsmittelpunkt in Brüssel und Straßburg hat und seither versucht, diesen mit ihrem Lebensmittelpunkt - dem Burgenland - in Einklang zu bringen. Leicht ist ihr das nicht gefallen. Recht brüsk wurde ihr im Frühjahr 1999 mitgeteilt, dass sie auf dem zweiten Listenplatz der SPÖ - hinter dem Vorarlberger Quereinsteiger, von dem man seither nichts mehr gehört hat - für die Europawahl zu kandidieren habe. "Aus Parteiräson" hat sie sich gefügt, "tief gekränkt" freilich, weil sie sich abgeschoben fühlte aus dem Land, dessen Kultur-Landesrätin sie gewesen ist. Die Kränkung ist inzwischen dem Gefühl der Herausforderung gewichen. Die große Welt im Glaspalast in Brüssel hat ihre Unheimlichkeit verloren, mit Verve hat sie sich in die neue Arbeit geworfen. Der heimische Umgang mit den Maßnahmen - Prets sagt stets "Maßnahmen", nie "Sanktionen" - stört sie zutiefst, Österreich verabschiede sich von Europa in einer Phase, wo es dringend nötig wäre, die eigenen Interessen zu vertreten. "Die Institutionenreform und der Grundwertekatalog, die berühren doch unsere vitalen Interessen. Ich kann nicht verstehen, dass man sich da nicht einbringen will." Europa, meint die Burgenländerin, ist ernsthafte Arbeit, kein Spielchen, wie hierzulande die Politik zuweilen verstanden wird. Im Getriebe des kontinentalen Parlaments spielen persönliche Eitelkeiten kaum eine Rolle, umso mehr Sachkompetenz und Kooperationsbereitschaft über die Fraktionsgrenzen hinweg. Ganz bewusst hat Prets ihr Büro in Eisenstadt, nicht in Wien eingerichtet. Und wenn man sie auf die Politik ihres Landes und ihrer Partei anspricht, dann erlebt man sie wieder von ihrer kämpferischen Seite, die "kein Hehl daraus macht" dass eine moderne europäische Partei so nicht agieren kann. So, das ist der Umgang der burgenländischen SPÖ mit ihren Frauen. Mit ihrem Wegloben nach Brüssel ist die Landesregierung wieder eine reine Männersache. In der Partei selbst sieht es nicht viel anders aus. Prets war die erste direkt gewählte Bürgermeisterin des Burgenlandes. Mittlerweile gibt es in ihrem Heimatbezirk Mattersburg vier Ortschefinnen. "Aber je höher die Hierarchie, desto weniger Frauen gibt es." Das möchte sie nicht auf sich beruhen lassen. Unter anderem deshalb bemüht sie sich um einen Listenplatz für die nächste Landtagswahl, stellt sich der parteiinternen Vorwahl. "Den Kontakt zum Land", sagt sie, "möchte ich nicht verlieren." In manchen Ohren mag das so klingen wie eine Drohung. In anderen heißt es schlicht: Europa ist überall. In Brüssel genauso wie hier, in der hintersten Ecke des Campingplatzes von Andau. Wolfgang Weisgram