Harald Leupold-Löwenthal auf einem Archivbild aus dem Jahr 1999

Foto: STANDARD/Semotan

Wien – Der Wiener Psychoanalytiker Harald Leupold-Löwenthal ist 80-jährig am Dienstag in Wien verstorben. Er erlag einem Herzstillstand, bestätigte ein Vorstandsmitglied der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung (WPV). Der Facharzt für Psychiatrie und Neurologie und in freier Praxis tätige Lehranalytiker hat die Sigmund Freud-Gesellschaft mitbegründet und war langjähriger Vorsitzender sowie Ehrenmitglied der WPV.

Leupold-Löwenthal war Mitglied des Gründungsvorstands der 1968 ins Leben gerufenen Wiener Sigmund Freud-Gesellschaft, der er von 1976 bis 1999 als Präsident vorstand. 1971 begann Leupold-Löwenthal auch mit der Einrichtung des Sigmund Freud-Museums in der Wiener Berggasse 19 in den ehemaligen Wohn- und Praxisräumlichkeiten Sigmund Freuds.

Werdegang

Leupold-Löwenthal wurde am 6. August 1926 in Wien geboren. Nach Matura (1944) und kurzem Wehrdienst studierte er Medizin in Wien und nahm 1951 eine Stelle an der Wiener Psychiatrischen Universitätsklinik unter Hans Hoff an. 1953 und 1954 studierte er in London, ehe er 1959 die Anerkennung zum Facharzt für Psychiatrie und Neurologie erhielt. Von 1961 bis 1963 war der Mediziner am Psychiatrischen Krankenhaus tätig, in dieser Zeit absolvierte er auch seine psychoanalytische Ausbildung.

1964 eröffnete er eine eigene Praxis, 1971 wurde er zum Lehranalytiker gewählt. Leupold-Löwenthal verfolgte aber auch seine Uni-Karriere weiter, 1982 konnte er sich als Dozent für Psychotherapie und -analyse mit Berücksichtigung der klinischen Psychotherapie habilitieren.

Das Sigmund Freud-Museum

1971 begann Leupold-Löwenthal mit der Einrichtung des Sigmund Freud-Museums, wobei es ihm um die "Schaffung einer informierten öffentlichen Meinung zu Freud und zur Psychoanalyse" und einen "Verzicht auf jegliche Anbiederung an Tourismus und Spektakelkultur" ging, wie er später schrieb. So wünschte er sich, als das Freud-Museum in der Berggasse 19 in Wien-Alsergrund 1996 neue Räumlichkeiten dazu erhielt, dass "hier vielleicht auch ein wissenschaftliches Zentrum der internationalen Psychoanalyse entsteht".

Doch schon 1999, als ihm Johann August Schülein an der Spitze der Freud-Gesellschaft folgte, warnte er vor einem drohenden "Disneyland für Freud-Fans". Und als die Freud-Privatstiftung ihr Programm für das Freud-Jahr 2006 vorlegte, verglich er dieses mit einem "Donauinselfest der Psychoanalyse".

Auszeichnungen

Leupold-Löwenthal wurde u.a. mit dem Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst 1. Klasse (1986) und als "Bürger der Stadt Wien" (1996) ausgezeichnet. Zu seinen zahlreichen Veröffentlichungen zählen das "Handbuch der Psychoanalyse" (1986), das ein wissenschaftliches Standardwerk wurde, "Der Laie" (1990), "Wien und die Fremden" (1992), "Ein unmöglicher Beruf. Über die schöne Kunst, ein Analytiker zu sein" (1997).

Mit einer Wiener Vorlesung zum Thema "Aktualität der Psychoanalyse" und einer Festsitzung der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung war Harald Leupold-Löwenthal vergangenen Sommer noch anlässlich seines 80. Geburtstags gefeiert worden.

"Eigentlich wollte ich Ornithologe werden"

Sein Freund Gerhard Bronner beschrieb Harald Leupold-Löwenthal einmal als Menschen, der "aus mehreren Persönlichkeiten besteht: Der Leupold ist ein waschechter Meidlinger, spricht die Sprache dieses Wiener Vorstadtbezirks mit seinen deftigen Ausdrücken und liest am liebsten Schundromane. Der Löwenthal hingegen ist ein vornehmer, gebildeter Akademiker, der sich an edelfaden cineastischen Kunstwerken erfreut, bei denen man bereits nach fünf Minuten einschläft." Dieser Satz stammt aus einem ORF-Porträt, das anlässlich des 80. Geburtstags Leupold-Löwenthals im vergangenen Sommer entstanden war.

"Eigentlich wollte ich Ornithologe werden", verriet Leupold-Löwenthal damals in dem von Regisseur Christian M. Kreuziger gestalteten Porträt. Entschieden hat er sich schlussendlich doch für den Menschen.

---> Reaktionen

Reaktionen

Österreich habe durch den Tod Harald Leupold-Löwenthals "einen großen Wissenschafter und Humanisten verloren", erklärte Bundeskanzler Alfred Gusenbauer am Mittwoch in einer Aussendung. Leupold-Löwenthal habe sich in vielfältiger Weise gegen das Verdrängen und Vergessen eingesetzt. Mit seinem Engagement für die Psychoanalyse habe er zur Rückkehr dieser im Nationalsozialismus verfemten Wissenschaft nach Österreich beigetragen, so Gusenbauer, der auch den Einsatz Leupold-Löwenthals für das Sigmund Freud Museum würdigte, mit dem Freud in Österreich eine würdige Gedenkstätte erhalten habe.

Für den Wiener Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny verliert die Bundeshauptstadt mit Leupold-Löwenthal "den Doyen der Wiener Psychoanalyse", der durch sein Wirken das Erbe Sigmund Freuds mit vielen Impulsen lebendig gehalten habe. Durch seine zahlreichen Funktionen im In- und Ausland habe er den Ruf der Psychoanalyse auch als Kulturwissenschaft in die Welt getragen. (APA)