Leopold Spindelberger (49) ist Allgemeinmediziner mit Zusatzausbildungen in Arbeits-, Umwelt-, Ernährungs-, Notfallmedizin, Psychotherapie, Traditioneller Chinesischer Medizin (TCM), Homöopathie, Neural- und Manualtherapie.

Er leitet eine Privatordination mit Schwerpunkt TCM in Wien, gründete 1994 die Dr. Spindelberger & Co KEG für Consulting im Gesundheits- und Ernährungsbereich und 1998 "Mecosan" zur Erforschung ganzheitlicher Methoden.

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derStandard.at: Gibt es das Candida Syndrom wirklich, oder ist es ihrer Meinung nach reine Einbildung?

Spindelberger: Das ist keine Einbildung. Ich habe bei vielen Patienten Stuhlkulturen machen lassen, die nachweisen, dass einerseits die Pilzbelastung erhöht ist und andererseits die physiologische Darmflora reduziert wird. Das heißt, dass es ein Ungleichgewicht der Darmflora gibt, welches für mich äußerst relevant ist.

derStandard.at: Bei welchen Beschwerden werden diese Untersuchungen durchgeführt?

Spindelberger: Bei Patienten, die über Verdauungsprobleme oder veränderte Stuhlgewohnheiten klagen – mit Blähungen, Durchfall oder Bauchschmerzen. Aber auch bei vielen allergischen Erkrankungen, wie zum Beispiel bei Neurodermitis spielen Pilzbelastungen immer wieder eine Rolle.

derStandard.at: Wie kann es zu erhöhten Pilzbelastungen kommen?

Spindelberger: Für das Wachstum der Pilze im Darm ist vor allem das Milieu verantwortlich. Man weiß, dass diese Feuchtigkeit und "süß" lieben, also Zucker und Kohlenhydrate. Das heißt Feuchtigkeit und Kohlenhydrate sind ein optimales Nährmedium für Pilze und bewirken, dass diese entsprechend gut wachsen können.

derStandard.at: Was kann man dagegen unternehmen?

Spindelberger: Ziel ist es das Milieu durch entsprechende Maßnahmen zu ändern. Dazu gehört es den Darm zu entleeren und zu reinigen. Und vor allem durch eine entsprechende Ernährungsumstellung den Pilzen die "Basis" zu entziehen.

Das heißt vor allem Zucker und zuckerhältige Lebensmittel drastisch reduzieren und den Kohlenhydratanteil in der Nahrung drosseln. Damit haben die Pilze weniger "Futter" und werden automatisch weniger.

derStandard.at: Schulmediziner halten häufig nichts vom Candida-Syndrom und einer Ernährungsumstellung. Wie können Sie sich das erklären?

Spindelberger: Lange Zeit hat sich die Schulmedizin überhaupt nicht mit der Darmflora beschäftigt. Und wenn man sich die Funktion der Darmflora vor Augen hält, dann ist das schon sehr verwunderlich. Darmbakterien produzieren Stoffe, die für unsere Verdauung wichtig sind. Sie ernähren die Darmschleimhautzellen und der Darm ist unser größtes Immunsystem. Und daher lässt sich leicht nachvollziehen, dass die Darmbakterien für unsere Gesundheit sehr wichtig sind.

derStandard.at: Ein häufiges Argument ist, dass evidenz-basierende Studien fehlen.

Spindelberger: Es gibt neben der evidenz-basierenden Medizin auch die Erfahrungsmedizin. In deren Mittelpunkt steht der Patient mit seinem Erleben. Und da gibt es ganz deutliche Verbesserungen durch die entsprechenden Maßnahmen. Das ist das Entscheidende.

derStandard.at: Das heißt für Sie zählt das Wohlbefinden der Patienten, unabhängig von der aktuellen Studienlage?

Spindelberger: Man kann das auch objektivieren und nachprüfen wenn der Stuhlgang wieder regelmäßig ist und der Patient sagt, dass er sich besser fühlt. Die Chinesische Medizin blickt auf 4000 Jahre Erfahrung zurück und die Schulmedizin täte gut daran, sich auch damit auseinander zu setzten und daraus zu lernen. Das zählt für mich mehr als jede Studie, die in dieser Richtung gemacht wird.

derStandard.at: Candida Pilze sind physiologisch in der Darmflora, sind also nicht zwangsläufig "schädlich"...

Spindelberger: ...genau, bis zu einem gewissen Grad ist er physiologisch. Problematisch wird es nur wenn er "überwuchert", also das Gleichgewicht gestört wird.

Einer der Hauptgründe dafür ist die Antibiotika-Einnahme. Das wissen auch die Schulmediziner und empfehlen die Darmflora wieder aufzubauen.

derStandard.at: Wie kann die Darmflora wieder aufgebaut werden?

Spindelberger: Durch entsprechende Nahrungsmittel. Dazu gehört Joghurt oder die bekannten milchsauer vergorenen Lebensmittel wie Sauerkraut. Zusätzlich gibt es entsprechende Präparate, die den Prozess unterstützen.

derStandard.at: Ab wann spricht man von pathologischen Werten?

Spindelberger: Bei Candida albicans liegt der Grenzwert bei zehn hoch drei. Das heißt das sind tausend Keime pro Gramm Stuhl. Das wird in Zehnerpotenzen gemessen. Wenn dann zehn dazukommen sind es zehntausend, hunderttausend Keime. Es gibt Werte, die gehen bis zehn hoch fünf, zehn hoch sechs.

derStandard.at: Wie kann man auf die Darmflora achten, gibt es vorbeugende Maßnahmen?

Spindelberger: Nicht umsonst spricht man vom "Heilfasten". Die Chinesische Medizin empfiehlt zweimal jährlich eine Entschlackungskur. Das ist eine einfache Maßnahme mit weitreichenden Auswirkungen auf die Gesundheit, damit sich die Darmflora wieder einpendelt.

Es wäre jedem zu empfehlen im Früjahr und im Herbst unter entsprechender ärztlicher Anleitung eine Entschlackungswoche zu planen. Das kann eine Mayr-Kur genauso sein, wie die Getreidekur aus der Chinesischen Medizin. (derStandard.at, Andrea Niemann, 14.3.2007)