Kondome sind Schutz, keine Spielerei, deshalb wird eine Kampagne gestartet

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Wien - Wieder einmal sorgt Gesundheitsminsterin Andrea Kdolsky für Aufsehen, da ihre jüngste Ankündigung wieder nicht so recht in das Weltbild der Volkspartei passen will. Am Rande eines EU-Ministertreffen in Bremen teilte sie Montagabend mit, an öffentlichen Plätzen und in Schulen in den nächsten Wochen Gratiskondome verteilen lassen zu wollen.

Sorglose Umgang

Der sorglose Umgang der Jugend mit der Gesundheit habe sie zu dieser Maßnahme veranlasst. Auch die ehemalige ÖVP-Unterrichtsministerin Elisabeth Gehrer machte sich schon Sorgen um die unbekümmerte Jugend. "Kinder statt Partys" forderte sie von der jungen Spaßgesellschaft. Dass die ÖVP jetzt auf einmal öffentlich zur Verhütung aufruft, hat aber einen ernsten Hintergrund. Laut Kdolsky steigt in den EU-Ländern die Zahl der Neuinfektionen wieder an.

Aufklärung fehlt und nicht Kondome

In Österreich seien vor allem Jugendliche betroffen. Erich O. Gattner, Präsident der oberösterreichischen Aidshilfe, kann Kdolsky zustimmen. Auch er registriere eine zunehmende Unachtsamkeit der Jugend in Sachen Verhütung. Die wachsende Risikobereitschaft erklärt er damit, dass Jugendliche heute "Eigenverantwortung einfach nur übergestülpt bekommen und nicht dazu erzogen werden". Sprich: Es gebe keine entsprechende Aufklärung, um das Bewusstsein für die Lebensgefahr, die von Aids ausgeht, zu schärfen.

Der Vorstoß der Ministerin, Gratiskondome zu verteilen, dürfe kein "politisch motivierter ,single shot'" bleiben. Parallel dazu müsse es Informationsveranstaltungen geben, sagt Gattner.

Kampagne überfällig

Gery Keszler, Organisator des Life Ball, knüpft an die angekündigte Aktion die Bedingung, dass nach 1999 endlich wieder einmal eine flächendeckende Aufklärungskampagne gestartet und finanziert werde. "Denn in den letzten Jahren hat es in Österreich keinerlei öffentlich wahrnehmbare politische Aktivitäten im Kampf gegen HIV und Aids gegeben", bemängelt Keszler. Dass der Vorstoß jetzt ausgerechnet von einer ÖVP-Ministerin komme, verbindet er mit der Hoffnung "einer generellen gesellschaftspolitischen Öffnung innerhalb der ÖVP".

Aufklärung rechnet sich

Die Zahl der bestätigten Neuinfektionen stieg in Österreich von 313 Fällen im Jahr 1998 auf 453 neu diagnostizierte Ansteckungen im Jahr 2006 an. Wegen HIV wurden Ende Juli 2006 in Österreich 2300 Personen medizinisch betreut. Ein Therapie koste im Monat so viel wie das durchschnittliche Monatseinkommen eines Österreichers, sagt Gattner. Aufklärungskampagnen und Kondome für Safer Sex würden sich demnach schon finanziell rechnen. (Kerstin Scheller/STANDARD/14.03.2007)