Der Neurologe Heinrich Binder über Nervenbahnen, die man bei Schlaganfall-Patienten traineren kann, und verbesserte Heilungschancen durch einen verstärkten Einsatz von Robotik. Sabina Auckenthaler sprach mit ihm.

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STANDARD: Was passiert bei einem Schlaganfall?

Binder: Es gibt zwei Formen des Schlaganfalls: die weitaus häufigere Form der Unterversorgung des Gehirns mit Blut und die Hirnblutung. Sinkt die Durchblutung in Teilen des Gehirns durch eine Verstopfung von Gefäßen ab, beginnen im Zentrum des betroffenen Areals innerhalb kurzer Zeit Nervenzellen abzusterben.

In den Randbereichen stellt sie zunächst nur ihre Funktion ein. Oberstes Ziel der Behandlung ist, die normale Durchblutung wiederherzustellen, damit sich der Infarkt nicht ausbreitet und gravierende neurologische Symptome verhindert oder zumindest minimiert werden können.

STANDARD: Wie sieht die Behandlung weiter aus?

Binder: Bereits während der Akuttherapie, für die mittlerweile österreichweit spezialisierte neurologische Stationen, so genannte Stroke Units, eingerichtet sind, werden alle Vorkehrungen für eine ehest mögliche neurologische Rehabilitation getroffen.

Bei der eigentlichen Rehabilitation kommen dann verschiedene Methoden zum Einsatz, von Physiotherapie über Logopädie, Ergotherapie und Kognitotherapie bis zu Robotics und Magnetstimulation. Ziel ist es, die Reparationsvorgänge innerhalb des Nervensystems anzuregen, vorhandene Funktionen zu stärken und Defizite auszugleichen.

STANDARD: Welche Wiederherstellungsvorgänge sind im Gehirn möglich?

Binder: Das Schlagwort heißt Plastizität. Im zentralen Nervensystem gibt es nicht nur eine enorme Menge an Nervenzellen, sondern auch an Verbindungsbahnen, die zum Teil nur wenig genutzt werden. Durch Training können sich diese an neue Anforderungen anpassen. Außerdem ist es nach derzeitigem Wissensstand möglich, dass unter bestimmten Bedingungen eine begrenzte Zahl neuer Nervenzellen und Verbindungen entsteht.

Durch eine frühzeitig angesetzte Rehabilitation können Funktionen und Fähigkeiten verbessert werden, sodass eigentlich der größte Teil der Betroffenen sich wieder in seine gewohnte Umgebung integrieren kann.

STANDARD: Wie wird die Zukunft der Neuro-Rehabilitation aussehen?

Binder: In den nächsten Jahren werden die Angebote aus dem Bereich der Robotik sicher zunehmen. Auch von Methoden wie der Motor Cortex Stimulation, wo direkt auf die Hirnhaut Implantate gesetzt werden, sowie von Brain-Computer-Interfaces ist einiges zu erwarten.

Langfristig gesehen wäre die Stammzellenforschung von Interesse. Ob und wann diese bei Schlaganfallpatienten zum Einsatz kommt, ist derzeit noch nicht abschätzbar. (DER STANDARD, Printausgabe, 14.3.2007)