Szenisches Bewusstsein für die jüdische kulturelle Diaspora an diversen Spielorten in Wien

Plakat: Festival
Wien– "Dybbuks", verdammte Seelen also, die ruhelos nach Körpern suchen — jüdische Performer, die sich als Kronleuchter verkleiden, um von der Aufklärung verwaiste Weltzonen zu illuminieren: Das jüdische Theaterfestival Tikun Olam (Deutsch so viel wie: die "Heilung von Zerbrochenem"), das von 18. bis 24. März an diversen Wiener Spielorten ein (szenisches) Bewusstsein für die jüdische kulturelle Diaspora wecken will, vereint Zeugnisse einer Ortlosigkeit, die gleichwohl nicht ohne lokale Bezüge – zumal zur Wiener jüdischen Tradition – auskommen möchte.

Festivalmacher Warren Rosenzweig, seit 1999 in Wien tätig, verweist auf diverse Aktivitäten, die rund um den Nestroy-Hof in Wien-Leopoldstadt kumulierten – ein ehemals jiddisches Varieté, dessen bloßgelegte Grundstruktur eine jüdische Traditionsanknüpfung erheischt: "Heilen wird man die Wunden des 20. Jahrhunderts nicht ohne weiteres können! ,Heilung‘ kontrastiert mit dem Wort ,Reperatur‘ – ist die jüdische Wiener Kultur tatsächlich unwiederbringlich verloren? Wäre der Nestroy-Hof als symbolischer Ort nicht geeignet, eine diesbezügliche Kommunikation neu in Gang zu setzen?"

Die Programmierung des Festivals stellt jedenfalls eine Kraftanstrengung dar. Das Kulturamt der Stadt Wien beschied einen Subventionsantrag im vergangenen September noch abschlägig – um jetzt mit 45.000 Euro helfend beizuspringen. Keine Frage, dass sich Initiator Rosenzweig auf die hochmögende Unterstützung durch (nicht nur jüdische) Gemeindemitglieder verwiesen sieht. Auch der Erwerb des Nestroy-Hofs als fester Theaterspielstätte taucht als Option für die Zukunft auf.

Näher liegt die Gegenwart: Tikun Olam weist etwa ein Gastspiel der russischen Gruppe LaboraTORIA.golem aus Moskau auf, die unter der Anleitung von Boris Uhananov eine szenische "Gruppenbetrachtung" des berühmten Golem-Stoffs vornimmt (18. und 19. März, Französisches Kulturinstitut im Salle de Bal).

Performances von Yossi Vassa (Nephesh Theater, Tel Aviv) oder von Steven Cohen (Johannesburg) runden ein vielfältiges Festivalprogramm ab, wie sie auch zu Vortragsreihen der "Association for Jewish Theatre" überleiten.

Apropos Ortlosigkeit: Interessierte müssen sich in den Piaristenkeller aufmachen, das Österreichische Theatermuseum aufsuchen und das Bawag-Veranstaltungszentrum im Hochholzerhof ausforschen. Es dürfte sich indes lohnen. (Ronald Pohl / DER STANDARD, Printausgabe, 14.03.2007)