„Wenn wir nicht mal einem Mädchen mit verbrannten Armen helfen können, wieso sind wir dann dort?“: Kevin Benderman zweifelt am Irakkrieg und verweigerte den Einsatz.

Foto: Frank Herrmann
"Mit 19 denkst du noch, nichts kann dich stoppen." Kevin Benderman kennt das Gefühl. Er kann erklären, wieso es einen Teenager noch immer in die Army zieht, trotz der Hiobsbotschaften aus dem Irak. Er war genauso: ein Draufgänger, für jedes Abenteuer zu haben.

Jetzt ist er 42, zwei Katzen schnurren um seine Beine, im Aquarium schwimmen Zierfische, seine Frau Monica brüht den Kaffee. Wie ein Safaritourist kramt er in einem Stapel von Fotos, die ihn im Irak-Einsatz zeigen. Im April 2003 marschierte Sergeant Benderman, ein Mechaniker, von Kuwait her ein, erst nach Tikrit, dann nach Khanaqin an der iranischen Grenze. Sechs Monate später war er wieder zu Hause, und bevor er zum zweiten Mal abrücken sollte, berief er sich auf Gewissensgründe, um nicht mitziehen zu müssen. Man glaubte ihm nicht, er musste als Deserteur vor ein Militärtribunal, saß 15 Monate hinter Gittern.

Den Krieg hat der Einsneunzig-Hüne nicht als Adrenalinstoß erlebt, nicht als Abenteuer, sondern als das, was er "the real thing" nennt. Einmal sah er am Straßenrand ein kleines Mädchen, die Arme verbrannt, hilflos. Sein Konvoi rollte an in ihr vorbei, ohne zu halten. "Wenn wir nicht mal einem Mädchen mit verbrannten Armen helfen können, wieso sind wir dann dort?" Benderman schrieb Beschwerdebriefe an seinen Kongressabgeordneten, über fahrlässigen Umgang mit Munition, über weggeworfene Lebensmittel, über einen Captain, der kugelsichere Westen bei Ebay verhökerte. Gegen die Armee hat er eigentlich nichts. Er hat nur etwas dagegen, "wie amerikanische Soldaten im Irak behandelt werden".

Das reicht schon, um ihn zum Außenseiter zu stempeln, jedenfalls in Hinesville, einem Ort, den es nicht gäbe, gäbe es nicht das benachbarte Fort: 23.000 Einwohner, 157 Kirchen. Pfandleiher geben Teenagern in Uniform, die schlecht mit Geld umgehen können, schnell Kredit: 25 Prozent Zinsen, pro Monat. Advokaten locken Soldatengattinnen, die die Trennung satt haben: "Scheidung 149 Dollar" steht auf ihren Reklameschildern. (DER STANDARD, Printausgabe, 14.3.2007)