Foto: Regine Körner
Wien - Das Denken und Schreiben in labyrinthischen Formen hat es ihm angetan, dem Literaten Edoardo Sanguineti: Sein erster Gedichtband trug den Titel Laborintus und trat mit dem Anspruch auf, seine einzelnen Stationen mit ihrer bilderreichen Sprache zu einer Gesamtheit zu verbinden, zusammengehalten von der Metapher des Labyrinths als einer paradoxen Orientierungsanweisung.

Bald kam es zur Zusammenarbeit mit Komponisten wie Luciano Berio oder Vinko Globokar. Für ein Projekt von Aureliano Cattaneo, Jahrgang 1974, hat sich Sanguineti wieder seiner Anfänge besonnen und unter dem Titel La philosophie dans le labyrinthe eine neue Textkompilation anhand seines Lebensthemas vorgenommen.

Im Zentrum des dabei entstandenen Musik- und Tanztheaters steht jenes mythologische Wesen, das im wohl berühmtesten Labyrinth, jenem von Knossos, hauste, jener Minotaurus, der Menschenopfer begehrte, bevor er von Theseus besiegt wurde. Gleich dem dabei von diesem Helden benutzte Ariadnefaden hat man in dieser Produktion der "Netzzeit" stets den sprichwörtlichen Handlungsfaden in mehrfacher Ausführung vor Augen: In Anlehnung an das antike Theater, als Musik, Tanz und Schauspiel noch eine unverbrüchliche Einheit waren, ist der Gang des Dramas auf mehreren Ebenen zugleich präsent, wobei animierte Grafiken auf einer Videowand die Geschichte mit der Ironie von Comicstrips in umgekehrter Chronologie erzählen, vom Tod zur Geburt des Minotaurus.

In Cattaneos Musik ist das Labyrinthische währenddessen durch formale Spiegelungen vervielfacht, sodass in dieser handwerklich überzeugende Talentprobe eine ihrer Stärken zugleich eine Schwäche bedeutet: Denn das filigrane, geräuschhafte Material, das das Klangforum Wien unter Lucas Vis delikat schimmern lässt, wird so schlüssig geformt, dass Verläufe allzu oft vorhersehbar und redundant werden.

Das lässt die Faszination, mit der man anfangs lauscht, zuweilen in Mühsal kippen. Umso mehr, als die Gesamtstruktur weniger verschlungen ist, als das Sujet und die Verdoppelung der Aktion durch den Tanz in der Inszenierung von Michael Scheidl zwar klar integriert wird, aber wenig zur Deutung des Stoffs beiträgt. Dass der flexible Michael Leibundgut als Stiermensch (neben Countertenor Charles Maxwell stimmlich herausragend) zunächst im Publikum sitzt, ist ein bescheidenes Interpretationsangebot. Dennoch sehenswert. (Daniel Ender/ DER STANDARD, Printausgabe, 13.03.2007)