Preise vergleichen lohnt, sagt Stromregulator Walter Boltz. Teils könnten gut 100 Euro pro Jahr gespart werden.

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Standard: Eben erst hat Europa eine Senkung des Stromverbrauchs um 20 Prozent bis 2020 beschlossen. Als Stromregulator sollen Sie durch mehr Wettbewerb für günstigere Preise sorgen. Kein Widerspruch?

Boltz: Es stimmt, grundsätzlich rechnen sich Investitionen in Energie sparende Maßnahmen erst ab einem gewissen Preis. Es gibt aber Bereiche, wo der Energiepreis nicht ausschlaggebend ist für die Hebung der Effizienz - Stichwort Normierung von Geräten, Zurückdrängen von Standby-Funktionen, bessere Steuerung des Energieeinsatzes. Außerdem: Nichts deutet darauf hin, Energie könnte so billig werden, dass sich Investitionen in Effizienzsteigerung nicht mehr rechnen würden.

Standard: Welchen Stellenwert haben die Preise als Lenkungsinstrument bei Energie?

Boltz: Strom spielt für einen durchschnittlichen Haushalt als Kostenfaktor fast keine Rolle. Der Anteil elektrischer Energie am Haushaltseinkommen ist in den letzten zehn Jahren zurückgegangen, Verbrauchsgewohnheiten lassen sich über den Preis kaum ändern. Etwas anders sieht es bei Gas aus. Da kann der Preis schon eine Rolle spielen, etwa dann, wenn jemand vor der Entscheidung steht: Gasheizung oder doch etwas anderes.

Standard: Und die Industrie, reagiert die empfindlicher?

Boltz: Da muss man sehen, dass vor allem in den energieintensiven Betrieben die Energieeffizienz heute schon sehr hoch ist. Dort sind die Energiekosten ein so großer Brocken, dass es sich lohnt, Experten anzuheuern, die Kosten zu optimieren. Das ist vielfach schon geschehen. Deshalb ist das Einsparpotenzial in diesem Bereich eher gering.

Standard: Wo ist Potenzial?

Boltz: Im Gewerbe und Bürohausbereich. Da sind über einen längeren Zeitraum 20 bis 30 Prozent Effizienzsteigerung noch durchaus möglich.

Standard: Teil der Klimastrategie der EU ist auch die Anhebung des Anteils erneuerbarer Energien von sechs auf 20 Prozent bis 2020. Vernünftig?

Boltz: Sehr ehrgeizig. Österreich für sich genommen liegt schon jetzt über diesem Wert. Nun wird aber erwartet, dass Österreich nachbessert, damit die EU insgesamt auf diese 20-Prozent-Quote kommt. Zweifellos ist da und dort eine Steigerung noch möglich. Wir können aber sicher nicht einen doppelt so hohen Anteil an erneuerbaren Energien schaffen wie der Durchschnitt der anderen EU-Länder. So viel Potenzial gibt es nicht.

Standard: Ihr Vorschlag?

Boltz: Österreich sollte aufzeigen, welche Anstrengungen schon unternommen worden sind und wie viel Geld ausgegeben wurde. Zusätzliche Belastungen würden nicht den gewünschten Erfolg bringen.

Standard: Wie viel könnte Österreich realistischerweise noch draufsatteln?

Boltz: Das hängt von der Bereitschaft ab, die Lebensumstände zu ändern. Wenn kein Mensch mehr ein Auto mit mehr als sieben Liter Verbrauch fährt, können wir noch allerhand einsparen. Ob so etwas politisch durchsetzbar ist, steht auf einem anderen Blatt. Beim Stromverbrauch können wir den Zuwachs dämpfen, bestenfalls stabilisieren. Eine tatsächliche Reduktion halte ich für praktisch unmöglich. Da müssten sich schon die Lebensumstände der Österreicher radikal ändern, etwa dergestalt, dass alle Geschiedenen in eine gemeinsame Wohnung ziehen, die Quadratmeterzahl pro Kopf reduziert wird und so weiter. Alles Maßnahmen jenseits des Vorstellbaren.

Standard: Der Strommarkt ist schon seit einigen Jahren offen, der Gasmarkt in unterschiedlicher Ausprägung auch. Warum merkt man im Vergleich zum ebenfalls liberalisierten Telekommarkt davon so wenig?

Boltz: Erstens ist es so, dass diese ehemals monopolisierten Märkte doch ihre Zeit brauchen, um sich den neuen Gegebenheiten anzupassen. Zweitens ist in der Telekommunikation mit der Liberalisierung auch eine technologische Revolution einhergegangen, die wir im Energiebereich nicht hatten. Bestes Beispiel ist die Mobiltelefonie. In den alten Monopolzeiten hat mobiles Telefonieren noch horrend viel gekostet. Dann kam sehr viel neue Technik auf den Markt, das hat den Wettbewerb belebt, die Preise sind gesunken. Strom kommt mehr oder weniger immer in gleicher Form über das gleiche Netz aus der gleichen Steckdose. Der technologisch getriebene Anreiz, woanders zu kaufen, fehlt.

Standard: Und deshalb ist die Wechselrate in Österreich nach wie vor so niedrig?

Boltz: Es stimmt, von den 40 Prozent in Schweden oder britischen Zuständen sind wir weit entfernt ...

Standard: ... und selbst dort ist Wechseln kein Massensport. Es gibt einen bestimmten Prozentsatz von Leuten, die immer wieder wechseln. Die breite Masse reagiert aber eher träge.

Boltz: Natürlich gibt es Mehrfachwechsler, das ist gut. Was der Wechselwähler in der Politik ist, das ist der Lieferantenwechsler im Strom- und Gasmarkt: Er bringt die Würze.

Standard: Und die Tendenz in Österreich zeigt nach oben?

Boltz: Die Wechselbereitschaft nimmt zu. Wir haben eine Hotline, da haben im vergangenen Jahr insgesamt etwa 4000 Leute angerufen. Heuer waren es allein in den ersten zwei Monaten rund 2000. Auch bei den Abfragen des Tarifkalkulators, der rasche Preisvergleiche ermöglicht, gibt es eine markante Zunahme.

Standard: Worauf führen Sie das zurück?

Boltz: Getrieben ist das natürlich durch die Preiserhöhungen der letzten Zeit. Auch die Preisunterschiede sind gegenüber früher etwas größer geworden. Zum Teil kann jemand, der vom angestammten Versorger zum günstigsten Anbieter wechselt, jetzt pro Jahr mehr als 100 Euro sparen. Vielleicht kommen wir noch heuer dahin, dass ein Lieferantenwechsel im Strom- und Gasbereich eine ganz normale Konsumentenentscheidung wird und nicht die große Ausnahme bleibt. Wie der Wechsel der Waschmittelmarke oder andere Dinge, die man macht, wenn man das Gefühl hat, dass ein Angebot besser ist als das andere.

Standard: Was sind ihrer Beobachtung nach die größten Hindernisse auf dem Weg zu einem Elektrizitäts-Binnenmarkt, der diesen Namen auch verdient?

Boltz: Nicht neutral agierende Netzbetreiber, unzureichendes Unbundling (Trennung von Produktion und Netz; Anm.), hoher Marktanteil einiger weniger Erzeuger und mangelnde Transparenz.

Standard: Konsequenz?

Boltz: Entweder wir schaffen es, die Märkte zu integrieren, dann nimmt die Dominanz ab. Wenn nicht, wird man früher oder später zu einer zwangsweisen Aufspaltung, zu Stromauktionen oder Ähnlichem kommen müssen. Die durch die Marktmacht einiger weniger entstehenden Mehrkosten sind den Konsumenten auf Dauer nicht zumutbar. (Günter Strobl, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 12.3.2007)