Außen Rotlicht, innen hui: Vadinchenia in Neapel

Allesamt aus dem Osteriaführer bei Hallwag, Ausgabe 2006/07:

Vadinchenia
Via Pontano 21
0039 081 66 02 65
Zu zweit wie geschildert mit Wein 70 Euro

Taverna dell'Arte
Rampe San Giovanni Maggiore 1a
0039 081 552 75 58
Zu zweit wie geschildert mit Wein rund 100 Euro

Dall'Amico Gamberone
Via Crispi 93-95
0039 081 66 53 44
Zu zweit wie geschildert mit Wein 94 Euro

Da Michele
Via Cesare Sersale 1-3
0039 081 553 92 04
Zweimal mittlere Pizza plus Mineral um 9.50 Euro

Di Matteo
Via Tribunali 94
0039 081 45 52 62
Zweimal gefaltete Pizza und ein Erbsen-Nudel-Panier-Knödel über die Gasse um keine 4 Euro

Frigittoria-Rosticceria Fiorenzano
Via Ninni 1-3/Piazza Montesanto
0039 081 552 86 65
Frittiertes to go bis zur Sättigungsgrenze um 3-4 Euro für zwei.

Rötliche, geschwungene Neonbuchstaben, eine kleine Halbkugel von Vordach über der Tür, die sich nur nach Klingeln öffnet, in einer der dunkleren Seitengassen von Neapel, wenn auch nicht in dessen schlechtester Gegend: Hat der Osteriaführer neuerdings auch Slow Sex im Angebot?

 

Keine Sorge, "Schmeck's unterwegs" bleibt seinem Genussschwerpunkt Essen und Trinken treu: Drinnen zeigt sich das Vadinchenia im Chiaia-Viertel einfach, modern und geradezu stocknüchtern, das Ambiente jedenfalls.

Viermal Baccalaureat

Vorweg ein paar Varianten Baccala N'do, Stockfisch also: Carpaccio, Mousse und aus Germteig gebackener Miniknödel, zudem alla Siciliana mit Peperonata und Bruschetta. Jede einzelne Etappe ausgezeichet. Der Flan di melanzane e pescespada (Schwertfisch) als Alternative kommt mit seinem dezenten, feinen Geschmack nicht ganz mit.

Höchste Zeit für Nudeln: Da machen die Paccheri alla genovese, die für die Gegend typischen Riesenmaccheroni, mit dem herrlich lange zerkochten Rindfleisch das Rennen. Der Sugo schmeckt irgendwo zwischen Gulasch und Krautfleisch, mit vielen, vielen Zwiebeln. Die extrem bissfesten Nudeln hier sind ein bisschen gewöhnungsbedürftig - nach zwei Mahlzeiten allerdings will man sie nicht mehr anders. Die Taglieroni mit Schwertfisch, Paradeisern und Pecorino muss man allerdings auch nicht von der Tischkante stoßen.

Verrücktes Wasser

Der feine Branzino in aquapazza, im verrückten Wasser, ein Süppchen mit Lauch, Karotten, Paradeisern geht sich gerade noch aus. Dessert nicht mehr, Käse schon gar nicht, auch wenn die Speisekarte Brillat-Savarin zitiert: Ein Dessert ohne Käse ist wie eine schöne Frau, der ein Auge fehlt.

Beim Zahlen müssen wir keines zudrücken: 70 Euro zu zweit mit einer Flasche Weißweincuvee Asprinio d'Averca von Grotta del Sole in Quarto.

Frittura im Stanitzel

Tags zuvor testeten wir Dall'Amico Gamberone (Bild unten), nicht weit vom Vadinchenia, Erstkontakt mit der hier typischen, großartigen Fischsorte Pezzogna (vermutlich eine Zahnbrasse), mit den Paccheri. Großartige frittierte Sardinen und Tintenfischchen, serviert in einem Papierstanitzel. Herrliche Calamari vom Grill und eine ziemlich trockene Rolle vom Spigola, ein Seebarsch.

Womit wir uns in Neapel von Abend zu Abend steigern konnten: Gamberone schon sehr gut, Vadinchenia ausgezeichnet, Taverna dell'Arte herausragend. Und das lag nicht am ungemein polyglotten Kellner, auch nicht an ausnahmsweise zwei Flaschen Falerno del Massico Moio 2005, und an der ziemlich rustikalen Einrichtung schon gar nicht. Muss es die Küche gewesen sein.

Blutjunge Artischocken

Ungemein fein marinierter Karfiolsalat, neapolitanischer Rohschinken, ein sehr krosses Sardellenbrötchen und eine blutjung-zarte Artischocke in Olivenpaste auf dem Antipastiteller. Paccheri (jetzt geht's nicht mehr ohne) mit Paradeisern, Kapern, Oliven, Pecorino, Rosinen. Bisschen salzig, macht nichts, drei Rufzeichen (von maximal drei in der Schmeck's-unterwegs-Wertung). Tagliatelle mit Artischocken und knackigen Steinpilzen in viel Olivenöl. Großes Kino.

Als Secondi Cassuola mit Sepie und Calamari, geschmort mit Paradeisern, drei Rufzeichen. Und noch einmal drei für die köstliche Grillvariation aus dem Meer. Nach diesen Mengen kann man das originelle Basilikumsorbet gut brauchen, mit dem die Küche zur Erleichterung grüßt.

Ein gemeiner Trick, um unsere Mägen glauben zu lassen, ein Dessert geht sich schon noch aus. Die stellen sich freilich als gemein gut heraus und schreien im Chor nach drei Rufzeichen: Biancomangiare - Mandelmilch in puddingähnlicher Form mit Orangencreme und Zimt. Ein Marsala-Passito (Winzer leider nicht notiert) doppelt das Mandelaroma noch auf. Wow - wie die Caprese, um genau zu sein Torta Caprese. Eine saftige Schokotorte mit Mandeln und fast schon ein bisschen zu brutaler Schokosauce.

Zumittag leichte Kost

Bei solchen Steilvorlagen am Abend braucht es mittags leichte Küche: Zum Beispiel gnadenlos frittierte Pizzetta, eine Germteigtasche mit Schinken und Käse, Kartoffelkroketten und einen gebackenen Reisknödel mit Käse und ein bisschen Fleisch über die Gasse in der Friggitoria/Rosticceria Fiorenzano. Arg. Oder saftigste Pizza to go bei Matteo, dazu vielleicht ein frittiertes Nudelbällchen mit Erbsen, Paradeisern und Tomaten drin. Sehr fein. Oder eine Pizza bei Da Michele (Margarita und Marinara am Fließband, Bild oben) in größe media, was etwa der Größe eines Smart-Forfour-Reifens entspricht. Pflichtprogramm. Mit dem Boliden kosten wir uns demnächst durch das Umland von Neapel und die Amalfiküste. Bleiben Sie dran.