Dieser Roboter könnte klären, wie Tiere einst zu Landbewohnern wurden.

Foto: A. Herzog / Biologically Inspired Robotics Group / EPF
Washington/Lausanne - Auf den ersten Blick sieht das gelbe Ding wie ein entwicklungsfähiges Kinderspielzeug aus: Neun gelbe Plastikwürfel, an denen vier Beinchen festgemacht sind. Für ein Kinderspielzeug ist das Innenleben des Roboter-Lurchis freilich etwas komplex: Es besteht nämlich aus der Nachbildung des Nervensystems eines lebenden Salamanders.

Entsprechend gibt es eine Hauptschaltstelle im Kopf - der Stammhirn des Amphibiums - sowie eine doppelsträngige elektronische Leitung, die eine Nachahmung der Nervenstränge im Rückgrat des Salamanders ist. In das "Stammhirn" des Roboters integrierten die Wissenschaftler zwei Schaltstellen: eine für die Wellenbewegung des Rückgrates, eine für die Diagonalbewegung der Beine.

Dass der mechanische Salamander kriechen, laufen und schwimmen kann (was auf beeindruckenden Videos im Internet dokumentiert ist, siehe Webtipp), ist aber nur die Voraussetzung für seine eigentliche Aufgabe: Er soll nämlich helfen, ein wichtiges Rätsel bei Entwicklung der Wirbeltiere zu beantworten: den Landgang der Meerestiere vor 400 Millionen Jahren.

Wie die Forscher aus der Schweiz und aus Frankreich in der Wissenschaftszeitschrift Science (Bd. 315, S. 1416) schreiben, ging das wahrscheinlich einfacher als gedacht: Schon eine simple Verstärkung des Gehirnsignals zur Steuerung der Fortbewegung könne nämlich ausreichen, um vom Laufen auf Schwimmen umzuschalten.

Warum sich das Team um Auke Ijspeert von der École Polytechnique Fédérale in Lausanne dabei am Salamander orientiere, hat einen guten Grund: Die Amphibien sind den ersten Landwirbeltieren vermutlich sehr ähnlich: Ihre Art zu schwimmen ähnelt der primitiver Fische wie dem Neunauge. Und an Land watscheln sie wie die Vorfahren der Krokodile. Das mache den Salamander zu einem "Schlüsseltier" bei der evolutionären Entwicklung vom Schwimmen zum Gehen.

Nachdem die Wissenschaftler zunächst das Nervensystem der Amphibien genau untersucht hatten und ein mathematisches Modell seines Nervenapparates konstruiert hatten, schritten sie zur Tat und bauten jenen künstlichen Salamander, der zur Zeit wohl einer der erstaunlichsten Roboter ist. Die 85 Zentimeter lange Maschine aus neun Gliedern, sechs Gelenken, vier rotierenden Beinen und zehn Motoren bewegte sich prompt genau wie ein Salamander: Bei geringen Stromstärken schlendert sie gemächlich dahin, bei stärkerem Strom beginnt zu laufen. Auf der höchsten Stufe stellten die Beine den Dienst ein: die Maschine schlängelte sich über den Boden und durchs Wasser.

Die Forscher aus der Schweiz und aus Frankreich glauben, damit bewiesen zu haben, dass schon ein primitives neuronales Netzwerk ausreichen könnte, um sowohl schwimmen, wie auch gehen zu können. Und der Roboter habe bewiesen, dass ihr mathematisches Modell die Realität wiedergibt.

Bei Kollegen stießen der vergleichsweise einfach konstruierten Roboter-Salamander und die aus ihm abgeleiteten Schlussfolgerungen auf Zustimmung. Wie der US-Biomechaniker John Long in Science kommentierte, lege die große Ähnlichkeit zwischen den Bewegungen des Roboters und eines echten Salamanders tatsächlich nahe, dass "die echten neuronalen Kontrollmechanismen präzise nachgebildet" wurden. Offenbar - und das ist die große biologische Neuigkeit - hätten die ersten Landtiere, um ihr Repertoire an Fortbewegungsmethoden zu erweitern, doch keine vollständig neuen Nervenbahnen entwickeln müssen. (Klaus Taschwer/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 10./11. 3. 2007)