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Bundeskanzler Alfred Gusenbauer und Vizekanzler Wilhelm Molterer im Gespräch mit Tony Blair (li.).

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Außenministerin Ursula Plassnik mit der Ratsvorsitzenden Angela Merkel und dem schwedischen Premier Fredrik Reinfeldt.

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Was die beschlossenen verbindlichen Klimaziele für die einzelnen Länder bedeuten, ist aber noch nicht klar.

Die EU wird bis 2020 ihren Kohlendioxidausstoß um 20 Prozent reduzieren, den Energieverbrauch um das gleiche Maß senken und den Anteil erneuerbarer Energien auf zumindest 20 Prozent anheben. Der Anteil von Biosprit an allen Treibstoffen muss bis dahin auf mindestens zehn Prozent steigen. Auf diese verbindlichen Ziele einigten sich die Staats- und Regierungschefs der EU am Freitag nach heftigen Diskussionen um die Rolle der Atomkraft.

Frankreich wollte erneuerbare Energien und Atomkraft gleichberechtigt als "CO2-arm" eingestuft wissen. Damit hätte das Land die Möglichkeit bekommen, das Ziel von 20 Prozent erneuerbarer Energien auch mittels Atomkraft zu erreichen. Dagegen wehrte sich Österreich und verweigerte die Zustimmung. Auf Wunsch von Bundeskanzler Alfred Gusenbauer kam es am Freitag vor der Ratssitzung noch zu einem bilateralen "Krisen-Gespräch" mit der Ratsvorsitzenden Angela Merkel.

In der Sitzung selbst musste Frankreichs Staatspräsident Jacques Chirac bei seinem letzten Gipfel auf den Großteil seiner ursprünglichen Forderungen verzichten: Atomkraft kann nun nicht als Ersatz für erneuerbare Energien eingesetzt werden, bestätigte Gusenbauer. Auch Umweltorganisationen und die Grünen im EU-Parlament zeigten sich mit der erreichten Lösung "ziemlich zufrieden".

"Renaissance-Gefahr"

Der Klimaschutz sei nun Teil einer wirtschaftlichen und technologischen Innovationsoffensive, die einen Beschäftigungseffekt auslösen werde, sagte der Kanzler nach Ende des Gipfels. Er betonte, es sei gelungen, sich auf erneuerbare Energiequellen als verbindliches Ziel zu fokussieren. Wenn schon viele Staaten die Kernenergie nutzten, würden nun auch die Sicherheitsaspekte und Risiken auf die Tagesordnung gebracht.

Es gebe aber die Gefahr, dass es zu einer "Renaissance der Atomenergie" in Europa komme, sagte Gusenbauer. "Die Anzahl der Mitgliedstaaten, die ihr Heil in der Atomenergie sieht, wächst von Tag zu Tag." Gleichzeitig sei Österreich ein "echter Durchbruch" gelungen, indem die mögliche Einbeziehung externer Kosten wie Umweltbelastung, Staus, Lärm und Unfälle im Verkehr erstmals in einer Gipfelerklärung verankert wurde.

Auch Chirac fühlt sich als "Sieger"

Gänzlich anders interpretierte naturgemäß Jacques Chirac das Ergebnis des Gipfels: Der französische Staatspräsident sah sich in der Debatte um eine stärkere Berücksichtigung der Atomenergie in jeder Hinsicht als Sieger. Quasi seien alle französischen Forderungen berücksichtigt worden, sagte er. Frankreich unterstütze als "größter Produzent von erneuerbarer Energie in Europa" das verbindliche Ziel, ab 2020 ein Fünftel der Energie aus erneuerbaren Energiequellen zu beziehen und zehn Prozent Biosprit beizumischen. "Aber die Erneuerbaren sind nur ein Teil der Antwort und reichen nicht aus, um die Klimaziele zu erreichen," sagte Chirac. Daher habe Frankreich darauf bestanden, "die Erneuerbaren in den größeren Rahmen der CO2-armen Energieformen einzubauen, darunter natürlich saubere Kohlekraftwerke und Atomkraft", sagte der französische Staatspräsident.

Das Gipfeldokument verweist auf die Einschätzung der EU-Kommission, wonach Atomenergie einen Beitrag zum CO2-Abbau leisten kann – was aber nie strittig war.

Das Feilschen beginnt

Die beschlossenen Ziele sind allerdings nur "Rahmenvereinbarungen" für die gesamte EU. Die EU-Kommission muss nun bis Herbst einen Vorschlag erarbeiten, welchen Anteil die einzelnen Länder zum Gesamtziel beitragen müssen. Österreich verfügt zum Beispiel durch den hohen Anteil an Wasserkraft bereits jetzt über mehr als 20 Prozent an erneuerbaren Energien, wird aber dennoch diesen Anteil weiter deutlich ausbauen müssen. Im Regierungsprogramm ist ein Anteil von 45 Prozent bis 2020 vorgesehen. Experten in Brüssel erwarten, dass erst in diesen Detailverhandlungen die wirklichen Probleme sichtbar werden. (Michael Moravec aus Brüssel, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 10./11.3.2007)