Bild nicht mehr verfügbar.

Beim Sternsingen wollen alle der schwarz geschminkte Balthasar sein. In der österreichischen Realität ist das Dunkelhäutig-Sein dagegen weniger gefragt

Foto: APA/Neumayr

Sauer: "Vorurteile gibt es immer – entscheidend ist, was von den meinungsbildenden Instanzen aktiviert wird"

Foto: privat
Bis Ende der Achtziger Jahre wurden AfrikanerInnen in Wien tendenziell wohlwollend aufgenommen. Dann habe sich das Klima radikal zum Schlechteren geändert - "binnen einiger Monate", wie Walter Sauer meint. Der Sozialhistoriker und Spezialist für Österreichisch-Afrikanische Beziehungen erklärt im Gespräch mit Maria Sterkl, wie es dazu kam, was die Polizei von den Katholiken lernen kann und was er vom Bild des nigerianischen Drogendealers hält.

derStandard.at: AfrikanerInnen machen zwei Prozent aller in Österreich lebenden AusländerInnen aus. Zwei Drittel der fremdenfeindlichen Schmierereien in Österreich richten sich aber gezielt gegen afrikanische Menschen. Wie passt das zusammen?

Walter Sauer: Gegen AfrikanerInnen ist die Vorurteilsstruktur am stärksten. Wir unterscheiden notgedrungen eine Hierarchie von AusländerInnen: Menschen aus Bosnien haben einen besseren Status als TürkInnen, TürkInnen stehen über InderInnen. AfrikanerInnen befinden sich in dieser Hierarchie ganz unten.

derStandard.at: Woraus ergibt sich diese Hierarchie? Aus der unterschiedlichen Entfernung der Herkunftsländer? Oder aus der Hautfarbe?

Sauer: Wahrscheinlich ist es ein Mix aus beidem. Und teils hängt es auch mit politischen Verhältnissen zusammen: Die USA sind noch weiter weg als viele andere Länder, US-AmerikanerInnen genießen aber bei uns prinzipiell einen höheren Status. Vorurteile gibt es ohnehin immer – entscheidend ist aber, was dann von den meinungsbildenden Instanzen aktiviert wird.

derStandard.at: Von den Medien?

Sauer: Ja, aber auch von den PolitikerInnen. (Die ehem. FPÖ-Nationalratsabgeordnete, Anm.) Helene Partik-Pable ist zum Beispiel eine von jenen, die extrem rassistische Vorurteile hoffähig gemacht haben. Wenn man, wie sie, im Nationalrat sagt, die Afrikaner seien von Natur aus brutal ... prominenter kann man es ja gar nicht platzieren.

derStandard.at: Das Klischeebild des afrikanischen Immigranten sieht heute ungefähr so aus: Nigerianer, Flüchtling, lebt in Wien. War das schon immer so?

Sauer: Das hat sich sicher verändert. Bis zu den Neunziger Jahren waren wenige AfrikanerInnen hier, und zwar großteils als Studierende. Das Klima war distanziert, aber wohlwollend – so nach dem Motto, "Die lernen hier was, dann gehen sie zurück und in Afrika wird es besser". Dieses Klima hat sich dann Ende der Achtziger Jahre binnen weniger Monate geändert.

derStandard.at: Wie kam das?

Sauer: Damals stieg die Zahl der Zuwandernden, vor allem der Flüchtlinge, sehr rasch und extrem stark an – eine Folge der Militärinterventionen am Balkan, der Irankrisen, dazu kam der Fall des Eisernen Vorhangs. Im Vergleich zu den zwei- bis dreihunderttausend bosnischen Flüchtlingen waren die paar Tausend afrikanischen ImmigrantInnen zwar ein Klacks, es ist aber eine richtige Hysterie erzeugt worden, dass "alle auf uns herein strömen". Und da waren die AfrikanerInnen, obwohl sie so wenige waren, vom Image her die, die man am leichtesten heraus greifen konnte, um zu sagen: "Na die wollen wir schon gar nicht."

derStandard.at: Wie kam es zu dem Wandel – von der Bildungsmigration zur Asylmigration?

Sauer: Die Krise Afrikas ist Ende der Achtziger Jahre erst wirklich schlagend geworden – mit der Schuldenkrise ab 82, der politischen Krise in Nigeria mit ihrer Militärdiktatur und so weiter. Das ist der Hauptgrund für den Anstieg der Auswanderungszahlen. Gleichzeitig kamen weniger Menschen, um hier zu studieren – Anfang der Neunziger Jahre wurden die Studienbestimmungen für Nicht-EU-Ausländer ja drastisch verschärft. Staatliche Stipendien für ausländische Studierende sind verfallen, weil die Behörden den Menschen kein Visum erteilen wollten.

derStandard.at: Dagegen erhalten katholische Priester aus afrikanischen Ländern ein automatisches Bleiberecht. Warum diese Ausnahmeregelung?

Sauer: Die Bischofskonferenz ist eine der mächtigsten Institutionen im Land, sie hat wohl gute Kontakte.

derStandard.at: Der nigerianische Pfarrer im kleinen Dorf am Land – ein Bild gelebter Integration?

Sauer: Da hängt viel von der Persönlichkeit ab. Die Menschen in den Dörfern gewöhnen sich an den afrikanischen Pfarrer, wenn er gut und kommunikativ ist. Dann ist das sicher ein Integrationsbeitrag. Man müsste das aber endlich einmal evaluieren. Schließlich wird ja immer gefordert, dass AfrikanerInnen in Autoritätspositionen kommen, bei der Polizei zum Beispiel. Und die einzigen, die das schon praktizieren, ist die katholische Kirche. Hier sollte man schauen: Wie muss jemand beschaffen sein, der in höhere Positionen kommt, welche Fehler sollte man vermeiden, damit es einen positiven Beitrag zu Integration geben kann?

derStandard.at: Die Habsburgermonarchie besaß keine Kolonien in Afrika. Gibt es in Österreich dadurch einen anderen Umgang mit Afrika(nerInnen) als in Frankreich oder Großbritannien?

Sauer: Dass die Habsburgermonarchie kolonial nicht aktiv war, ist ja ein Gerücht. Sie besaß zwar keine Kolonien, die Habsburger wirkten aber an kolonialen Aktivitäten mit und förderten eine kolonialistische Gesinnung in der Bevölkerung. Die Habsburger haben zum Beispiel nicht den Kongo erobert. Aber sie haben es gut gefunden, dass der belgische König das tut. Und es sind auch österreichische Söldner gewesen, die ihn dabei unterstützt haben.

derStandard.at: Mangels eigener Kolonien kamen aber auch weniger AfrikanerInnen nach Österreich als beispielsweise nach Frankreich. Wirkt sich das auf ihr heutiges "Image" aus?

Sauer: Ja – insofern, als die ÖsterreicherInnen lange Zeit ein positiveres Bild von AfrikanerInnen hatten als andere europäische Länder.

derStandard.at: Welches Bild war das?

Sauer: Zum Beispiel die Heiligen Drei Könige: Jeder weiß, da ist immer ein Afrikaner dabei. Und das ist nichts Ehrenrühriges, im Gegenteil: Das ist oft der, der die Lieder singt, die meiste Aufmerksamkeit bekommt und die meisten Spenden kassiert (lacht).

derStandard.at: Wann hat sich dieses positive Image verändert?

Sauer: Ein Faktor waren die Sklavenaufstände in Haiti um 1800. Da haben die Plantagenbesitzer dann bewusst in Europa anti-afrikanische Vorurteile propagiert. Da entstand dieser Mythos, dass Afrikaner besonders gewalttätig seien – denn natürlich waren die Aufstände auch mit Gewalt verbunden. Sehr großen Einfluss hatten auch die Naturwissenschaften, schon seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert: Angelo Soliman war zum Beispiel ein irrsinnig respektierter Mensch in Wien. Und kaum war er tot, stellten sie ihn nackt ins Museum – als "Vertreter seiner Rasse".

In der Philosophie war es Hegel, der sagte, "der Neger" sei ein Kind im Naturzustand, er habe nicht den Anschein einer Zivilisation. Hegel hat das vermutlich gar nicht rassistisch gemeint. Aber es war eben rassistisch, und alle mussten das lesen. Dann kamen schon bald diese Völkerschauen – wo Afrikaner unter entwürdigenden Zuständen ausgestellt wurden. Das war eine massenwirksame Sache.

derStandard.at: In Ihrem Buch meinten Sie, AfrikanerInnen wären heute viel stärker von Diskriminierung bedroht als vor 15 Jahren. Können Sie Beispiele nennen?

Sauer: Denken Sie an die afrikanischen Taxifahrer, die heute ständig mit ausrastenden Fahrgästen zu tun haben, die sie körperlich misshandeln. Anfang der Neunzigerjahre wurden in der Bevölkerung schon vorhandene ausländerfeindliche Tendenzen verstärkt – als Begleitmusik zu den restriktiveren Fremdengesetzen, dem strengeren Zugang zum Arbeitsmarkt, der verschärften Studienzulassung. Um all das zu rechtfertigen, hat man sich ausländerfeindlicher, und vor allem afrikafeindlicher, Stereotype bedient.

derStandard.at: Haben bestimmte Stereotype auch einen realen Hintergrund? Ich denke an das Bild vom nigerianischen Drogendealer.

Sauer: Ich glaube schon. Es ist eine Tatsache, dass es afrikanische Drogendealer gibt. Natürlich muss man erklären, dass sie deshalb dealen, weil sie keine andere Chance haben, ihr Leben zu finanzieren. Aber Faktum ist, es gibt diese Probleme, und das schafft böses Blut. Das Gefährliche ist die Verallgemeinerung – zu sagen, alle Afrikaner seien so. Und das ist das, was die Medien so perfid gemacht haben. Fakt ist, es gibt eine bestimmte, nicht sehr hohe Anzahl afrikanischer DrogendealerInnen, und es geht darum, zu fragen, wie man diesen Menschen helfen kann, wie man die Bedingungen ändern kann – ohne gleich die ganze Gruppe pauschal zu diffamieren. Man darf aber auch nicht vergessen: Wenn jemand aus dem Kaukasus so etwas macht, dann fällt das nicht so auf. Es gibt sogar die These, dass AfrikanerInnen ganz gezielt im Straßenverkauf rekrutiert werden – eben, weil sie auffallen.

derStandard.at: Was könnte dazu beitragen, das Afrikanerbild der ÖsterreicherInnen zu bessern?

Sauer: Ich merke, dass immer mehr Menschen afrikanischer Herkunft in vielen verschiedenen Berufen aufscheinen – als Straßenkehrer, auf Baustellen, in der Gastronomie, im Tourismus. Und ich halte das für einen richtigen Trend. Ich finde sogar, dass man AfrikanerInnen hier bevorzugt behandeln sollte, schließlich sind sie die schwächste Gruppe unter den AsylwerberInnen.

derStandard.at: Warum?

Erstens kommen sie aus dem ärmsten Kontinent. Und zweitens werden sie mit den meisten Vorurteilen konfrontiert. Man sollte AfrikanerInnen verstärkt anstellen. Die Menschen machen ihre sozialen Erfahrungen ja schließlich primär in der Arbeit – und was man am Arbeitsplatz erlebt, das sitzt tiefer als jeder Medienbericht. (mas, derStandard.at, 8.3.2007)