Hamburg - Der ehemalige deutsche Kulturstaatsminister Michael "Mike" Naumann ist wohl das, was man einen Weltbürger nennt: Geboren 1941 in Köthen im heutigen Sachsen-Anhalt, aufgewachsen in Köln, Schulabschluss in den USA, Studium in Oxford und Marburg, Zeitungsredakteur in München und Hamburg, Verleger in New York, Minister in Berlin, Herausgeber der wichtigsten deutschen Wochenzeitung "Die Zeit" in Hamburg.

Im Alter von 65, wenn andere sich zur Ruhe setzen, soll Naumann jetzt in seiner Wahlheimat Hamburg der SPD als neuer Spitzenkandidat für die Bürgerschaftswahl 2008 aus der Patsche helfen. Am Mittwoch wurde er von der Parteispitze nominiert.

Naumann hat in der SPD bisher keine Ämter ausgeübt. Auf Wunsch des damaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder wurde er von 1998 bis 2000 Kulturstaatsminister der ersten deutschen rot-grünen Bundesregierung. Nach zwei Jahren flüchtete der weltgewandte Naumann aus der Enge der Politik und wurde Chefredakteur und dann Herausgeber der "Zeit".

Der stets elegant wirkende Naumann tritt in der Öffentlichkeit selbstsicher auf und bedient sich einer gewählten Sprache. Zuletzt war er als Trauerredner des berühmten Kunstsammlers Heinz Berggruen vergangene Woche in Berlin gefordert.

Die beiden Jahre seiner Ministerzeit sind den Kulturpolitikern in Bund und Ländern noch gut in Erinnerung: Naumann wollte Reformen in allen kulturellen Einflussgebieten der Regierung: Auslandsrundfunk, TV, Museen, Film, Theater, Oper und internationale Kulturarbeit. Für sein Engagement wurde er von SPD-Parteifreunden geliebt, jedoch auch gehasst von allen, denen er Mittel kürzte und Rechte beschnitt. Zu seinen schärfsten Kritikern gehörten auch Vertriebenenorganisationen, denen er die Zuschüsse kürzte. Zudem wurde Naumann verdächtigt, mit Duldung von Schröder in Konkurrenz zu den Kulturkompetenzen der Bundesländer zu wirken. Er sorgte dafür, dass der Bund sich mit Millionen in der Berliner Kultur engagierte.

Michael Naumann wurde am 8. Dezember 1941 als Sohn eines Rechtsanwaltes im anhaltischen Köthen geboren und wuchs in Köln auf. Der Vater fiel 1942 im Zweiten Weltkrieg. Naumann studierte später als Stipendiat der Friedrich-Ebert-Stiftung 1963 bis 1969 in Marburg und München Politische Wissenschaften, Geschichte und Philosophie, später auch in der Eliteuni Oxford in England. Den Beginn der 68er-Studentenbewegung erlebte er als Funktionär mit.

1969 promovierte Naumann und fing als außenpolitischer Redakteur beim "Münchner Merkur" an. 1970 wurde er Mitarbeiter der Wochenzeitung "Die Zeit", deren Auslandskorrespondent in Washington er von 1981 bis 1982 war. Zwischendurch habilitierte er an der Uni Bochum. In den folgenden Jahren wechselte Naumann unter anderem zum "Spiegel" und zum Rowohlt-Verlag. 1995 gründete Naumann in New York den Verlag "Metropolitan Books" mit dem Ziel, junge US-Autoren zu entdecken.

Als Verleger in New York wurde Naumann schließlich 1998 als so genannter Quereinsteiger ohne Bundestagsmandat in das "Kernteam" Schröders aufgenommen. Zustimmung fand Naumanns Eintreten für die Buchpreisbindung und den Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses sowie für die Annäherung des Stiftungs- und Spendenrechts an US-Verhältnisse.

Naumann setzte sich nach anfänglichem Widerstand besonders für die Errichtung des Holocaust-Mahnmals am Brandenburger Tor in Berlin ein. Bereits im Dezember 1998 präsentierte er umstrittene neue Pläne, das Mahnmal auch als ein Haus des Erinnerns zu gestalten. Heute gehört das Monument aus Beton-Stelen zum festen Stadtbild der Berliner Mitte.

Lob erhielt Naumann auch wegen seiner Verdienste um die Rückgabe von jüdischem Kunstbesitz, der in der Nazizeit beschlagnahmt oder durch Notverkäufe in NS-Besitz gekommen war. In gleicher Weise bemühte sich der Kulturstaatsminister um die Rückführung so genannter "Beutekunst" aus Russland und Polen nach Deutschland.

Im Jahr 2000 wechselte Naumann als Chefredakteur zur "Zeit", wo er sich für Reformen einsetzt. So wurde das Blatt unter seiner Leitung bunter, die Auflage stieg. Seit 2004 beschränkt er sich auf die Funktion des Herausgebers.

Naumann hat zwei erwachsene Kinder und hat vor kurzem zum zweiten Mal geheiratet. Als Hobbys nennt er Segeln, Lesen, und Motorradfahren. (Von Claus-Peter Tiemann/AP)