Monrovia - Das Konterfei des Mannes, dessen Kämpfer einst brandschatzend und vergewaltigend durch Liberia zogen, prangt lächelnd auf einer Reklametafel mitten in der Hauptstadt Monrovia: Charles Taylor, wegen Kriegsverbrechen angeklagt, hat hier immer noch Rückhalt. Mit dem Plakat versuchen seine Anhänger nun, Geld für Taylors Verteidigung aufzutreiben, wenn sich der 2003 gestürzte Präsident vor Gericht wegen seiner Gräueltaten verantworten muss.

Taylor ist wegen seiner Einmischung in den Bürgerkrieg im Nachbarland Sierra Leone angeklagt. Aber auch in seinem eigenen Land hinterließen die Kämpfer des einstigen Rebellenchefs eine blutige Spur. Dort steht jedoch derzeit kein Prozess an. Erst kürzlich erklärte die seit einem Jahr regierende Präsidentin Ellen Johnson Sirleaf, sie sehe keinen Grund dafür, da Sierra Leone ja Taylor bereits zur Rechenschaft ziehe. Sie wolle sich lieber auf den Wiederaufbau ihres ebenfalls vom Bürgerkrieg zerstörten Landes konzentrieren.

"Charles Taylor ist nicht der einzige schlechte Mensch in Liberia, es gab so viele", sagt Tenneh Dudu wie zur Erklärung, warum die Rufe nach Rache gegen den Expräsidenten verhallen. Und außerdem habe Taylors Regierung ja auch ihre Volksschulbildung ermöglicht, fügt die 23-Jährige hinzu. Auch in den Reihen der liberianischen Politiker genießt Taylor weiterhin Sympathien.

Andere verteufeln zwar den einstigen Kriegsherrn, wollen die Vergangenheit aber lieber auf sich beruhen lassen und sehen eine anhaltende Unterstützung Taylors nicht als Bedrohung für ihr Land. Der ehemalige Staatschef sei schließlich weit genug vom Schuss. Der 1948 geborene Taylor sitzt in den Niederlanden in Haft. Der Prozess wird ihm aus Sicherheitsgründen dort statt in Sierra Leone gemacht. Sirleaf hatte Bedenken geäußert, dass ein Verfahren im Nachbarland die Anhänger Taylors in Liberia mobilisieren könnte.

Derzeit seien "Elemente früherer Regierungen" keine Bedrohungen für die Sicherheit, beruhigt der Sprecher der UNO-Friedenstruppe, Ben Malor. Die Kämpfer Taylors hätten inzwischen nahezu alle ihre Waffen abgegeben. Die Gefahr ist nach Ansicht von Hilfsorganisationen dennoch nicht gebannt: Gerade die anhaltend hohe Arbeitslosigkeit könne die früheren Kämpfer wieder mobil machen.

Die meisten Liberianer wollten aber einfach ihre Ruhe und suchten keine Vergeltung, sagt der Vorsitzende der Wahrheits- und Versöhnungskommission. "Liberia hat eine tief in religiösen Überzeugungen verwurzelte Kultur, die die Menschen mehr oder weniger auf Vergeben und Verzeihen vorbereitet", erklärt Jerome Verdier.

Dem früheren Warlord Taylor müssen die Liberianer vieles nachsehen. 1989 führte der Rebellenchef seine Nationale Patriotische Front (NPFL) gegen Militärmachthaber Samuel Doe in den Kampf. Doe wird ein Jahr später ermordet, der Bürgerkrieg tobt aber noch bis 1996. Im Jahr darauf wird Taylor zum Präsidenten gewählt. Menschenrechtler gehen davon aus, dass Einschüchterung und Druck dem Sieg auf die Sprünge geholfen haben. Zwei Jahre später kommt es erneut zur Rebellion in Liberia, die Kämpfe gehen weiter. 2003 schließlich flüchtet Taylor ins nigerianische Exil.

Während der Liberianer dort in einem noblen Anwesen lebt, treibt ein von den UN gestütztes Sondergericht in Sierra Leone die Anklage wegen Kriegsverbrechen voran. Taylor wird vorgeworfen, die Rebellen der Revolutionären Vereinigten Front (RUF) in Sierra Leone unterstützt zu haben. Diese töteten und verstümmelten zehntausende Menschen während des bis 2002 währenden zehnjährigen Bürgerkriegs. Im März 2006 wird Taylor schließlich in sein Heimatland abgeschoben und von Liberia an das UN-Sondertribunal in Sierra Leone überstellt. Von dort aus wird er in die Niederlande gebracht, wo der Prozess im Juni dieses Jahres beginnen soll. Taylor hat sich für nicht schuldig erklärt.

Die Gruppe, die die Reklametafel mit Taylors Bild aufgestellt hat, sieht sich unterdessen als Kämpfer für den Rechtsstaat. "Wir haben keine Tafel aufgestellt mit den Worten 'Lasst Mr. Taylor frei'", sagt Sprecher John Richardson, früher Verhandlungsführer von Taylors Rebellen. "Mr. Taylors Unschuld sollte eine Sache des Gesetzes und der Rechtsprechung sein." In einem Land, in dem ein Dieb eher der Lynchjustiz zum Opfer falle als vor Gericht gestellt zu werden, sei die Kampagne zudem vor allem eines, meint Richardson: eine Lektion in Staatskunde. (Von Heidi Vogt/AP)