Bild nicht mehr verfügbar.

REUTERS/Eric Thayer

Schwarze Schafe haben in der Gemeinschaft der Wikipedianer nichts verloren - und zu diesen zählen jene Mitglieder des von selbsternannten, freiwilligen Autoren befüllten Onlinelexikons, die über sich selbst ein falsches Zeugnis ablegen. Diesen folgt die Strafe auf den Fuß, und sie werden gefeuert.

Maskerade

Am eigenen Leibe zu spüren bekommen hat das der 24-jährige Ryan Jordan, der sich der Community gegenüber ungerechtfertigterweise als dreifacher Doktor und Universitätsprofessor ausgegeben hat. Fachgebiet: Theologie mit Schwerpunkt kanonisches Recht. Der äußerst produktive, doch falsche Professor musste jetzt seine Mitarbeit bei der freien Online-Enzyklopädie - bei der er unter dem Pseudonym EssJay publizierte - und bei dem kommerziellen Wiki-Provider Wikia einstellen.

Schiedsrichter

EssJay alias Jordan hatte pikanterweise bei Wikipedia auch die Rolle eines "Arbitrator" inne, einer Art Schiedsmann, der in Streitfällen unter Wikipedianern vermittelt und auch Strafen für ungebührliches Verhalten verhängt.

Aufgeflogen

Ans Tageslicht der medialen Öffentlichkeit kam der Schwindel vergangene Woche durch eine der seltenen "Editors' Note" (Richtigstellung) im New Yorker: Als man über EssJay als Teil eines ausführlichen Profils über Wikipedia berichtet hatte, hätten "weder wir noch Wikipedia EssJays echten Namen und Biografie gekannt", zitiert die New York Times in ihrer gestrigen Montagsausgabe die Entschuldigung des Magazins. Wächter der Wahrheit.

In dem im Juli 2006 erschienen Artikel war der vermeintliche Religionsspezialist gewissermaßen als "Wächter der Wahrheit" beschrieben worden, der etwa zweimal einen Eintrag über den Sänger Justin Timberlake aus Wikipedia entfernt habe, von dem "EssJay wusste, dass er falsch war". Die Angaben zur Person hatte das Magazin von der Nutzerseite übernommen. Selbst während des Gesprächs verheimlichte er seinen Namen.

Selbst ein Bein gestellt

Letztlich zum Verhängnis wurde Jordan seine eigene Halbwahrheit. Für den gut bezahlten Job eines Community-Managers bei Wikia, einer Firma des Wikipedia-Mitbegründers Jimmy Wales, hatte er sich mit einem völlig anderen Lebenslauf beworben. Nachdem einigen Wikipedianern der Schwindel aufgefallen war, entschied sich Jordan, seine Nutzerseite zu ändern und dort seine wahre Identität anzugeben. Die darauf einsetzende Diskussion wurde schließlich vom New Yorker aufgegriffen. Wales, der Jordan zunächst verteidigte, forderte ihn schließlich auf, von seinen Ämtern zurückzutreten.

Realname-Initiative

Um solche Vorfälle in Zukunft auszuschließen, stellt Wales laut heise online erneut eine Realname-Initiative zur Diskussion. Auf viel Gegenliebe dürfte der Vorschlag allerdings nicht stoßen, da die meisten Wikipedia-Autoren unter Pseudonymen arbeiten und ihre Anonymität nicht aufgeben wollen. Es ist dies eines der Grundprinzipien des freien Onlinelexikons, dass jeder Internetnutzer beitragen kann. Man muss sich nicht einmal anmelden, um Änderungen an Artikeln vorzunehmen. (red, DerStandard/Printausgabe vom 6. März 2007)