Gob Squad, eine der innovativsten Performance-Ensembles der zeitgenössischen Avantgardeszene Europas, stellen Andy Warhols Filme nach. Hier: "The Kitchen".

Foto: donaufestival
Sie sind der rote Faden des Performanceprogramms: Gob Squad, das britisch-deutsche Interaktionsquartett (Berlin, Hamburg, Nottingham), setzt seine treue Zusammenarbeit mit dem donaufestival in Form einer Reminiszenz fort. Im Getümmel der neuen Formen und Medien wird einmal angehalten und zurückgeschaut zu den Anfängen des Pop, genauer in Andy Wahrhols 60er-Jahre, wo alles begann ...

Als "Sex, Drugs und Rock 'n' Roll" noch ungehemmt im Ruf standen, der Atem einer Kunst zu sein. Gob Squad (was so viel bedeutet wie "Maulmannschaft") hält also mentalitätsgeschichtlich Rückschau und ergründet im aktuellen Auftragswerk Gob Squad's Kitchen - You've Never Had It So Good die Soziokultur in der New Yorker Kunst- und Undergroundszene von damals.

Ausgangspunkt ist einer von Warhols Pop-Art-Filmen, The Kitchen, der Menschen zeigt, die in der Küche herumhocken. Gob Squad spürt in seiner performativen Nachahmung des Film die "hedonistische experimentelle Energie der aufkommenden Popkultur" auf. Auch andere Warhol-Filme wie der achtstündige Sleep oder Eat, Drink, Kiss oder Couch werden nun, vierzig Jahre später, dem mimetischen Verfahren unterzogen.

Eine "Wiedergeburt des Theaters aus dem Geist der Popkultur" betreiben auch Showcase Beat Le Mot, heuer erstmals in Kooperation mit dem estnischen Von Krahl Theater. Die im Kern aus vier Absolventen des renommierten Gießener Theaterinstituts bestehende Truppe bezeichnet sich kokett als "Boygroup der Performance" und führt doch stets ein Lehrstück im Programm. Die "Botschaft" (Idee) ist tough, deren Vermittlung aber im Vergleich dazu geradezu wohlig. In Europiraadid, einer europäischen Piratenrevue, in der Überlebensformen aus der substaatlichen Grauzone Thema sind, werden in einer operettenhaften Theaterarena Spanferkel und Rum kredenzt. Nach einer Work-in-Progress-Phase wird mit der "Endversion" nun Österreich-Premiere gefeiert, Seemannslieder inklusive.

Iss mich! Iss mich auf!

Von schonender Vermittlung kann im Falle der Big Art Group leider nicht die Rede sein. Die 1999 von Caden Manson gemeinsam mit Jemma Nelson gegründete Albtraumfabrik aus New York hat bereits im Vorjahr mit einem Elaborat einer nach dem Prinzip ihrer so genannten Real-Time-Film-Methode die Gehörgänge und Augen des Festivalpublikums nachhaltig geweitet. Begonnen wurde dieses auf korrespondierenden und das reale Bühnengeschehen dekonstruierenden Leinwänden basierende Verfahren 2003 mit einer Persiflage des Blair Witch Project. Versatzstücke aus der bösen Welt der B-Movies (Gefahr, Sex, Gewalt) werden live neu gesampelt.

Die aktuelle Arbeit Dead Set #3, die im Kremser Stadtsaal nur zweimal zu sehen sein wird, betreibt ein verheerendes kannibalisches Spiel, in dem ungeschminkte Sätze aus dem Chatroom die narrative Spur legen: "I am 28 years old and I want to be eaten. NO JOKE! Contact me!" Es folgt die E-Mail-Adresse. Angst!

Die "unprotected games", Motto des heurigen Festivals, verweisen auf Formen des Ausgeliefertseins - und diese kommen zum ersten Mal auf der Ebene der Spiele, neudeutsch "Gaming", zum Ausdruck (siehe "Spiel und Spaß und Schmerz"). Auch dort gibt's nichts zu lachen. Gewalt und ihre Hemmschwellen werden brutal ausgelotet, beispielsweise von God's Entertainment: Ihr Fight Club - realtekken fordert das Publikum auf, mittels Joystick den Kampf realer Akteure zu steuern.

Mit dem Training gemeinschaftsbildender und -zerstörender Fähigkeiten befasst sich derweilen die Installation Sphären Versammlung unter der Anleitung von ersatzverkehr/urban lies. Scheinbar friedlichen Lebensraum markiert die österreichische Gruppe toxic dreams, die mit sleep die traditionsreiche Anbindung des Festivalgeschehens ans Parkhotel fortsetzt: eine Schlafinstallation mit deutender Musik in Zimmer 115. (Margarete Affenzeller / SPEZIAL/ DER STANDARD, Printausgabe, 06.03.2007)