Margit Bencic, BWG-OÖ: "Der gute Handwerker, aber skandalöse Geschäftsmann ist noch zu weit verbreitet"

Foto: STANDARD/Andy Urban

Christian Edinger, Edinger h.schnitt: "Mein BWL-Wissen lag bei null"

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Innovation braucht Weiterbildung. In jedem Unternehmen notwendig, sind im speziellen Fall Österreich die Weiterbildungsagenden vor allem in KMU überlebensnotwendig.

Zwei Dinge vorab: Rund 98 Prozent aller Unternehmen in Österreich fallen in die Gruppe der KMUs. Und diese sind ein höchst heterogene Gruppe. Die landläufig bekannten Parameter, nach denen sich diese Gruppe bemessen sollte – etwa die Anzahl der Mitarbeiter bis 249 Vollzeitäquivalenten oder ein Jahresumsatz von über 43 Millionen Euro – treffen auf einen Gutteil nicht zu.

Zeitdruck

Zur Heterogenität gesellen sich die spezifischen Bedürfnisse in Sachen Weiterbildung: Wofür in Konzernen ganze Abteilungen zur Verfügung stehen – von Controlling bis Recht – müssen sich KMUs, meist als Ein-Personen-Unternehmen (EPU) startend, oft mühsam aneignen. Individuelle Lösungen sind gefragt, die meistens unter Zeitdruck – in vielen Betrieben können Mitarbeiter auch nicht für Tage entbehrt werden – und mit wenig bis gar nicht vorhandenem Weiterbildungsbudget absolviert werden sollten und im Optimalfall werden können.

Aufgabenstellungen, die den Diskutanten am aktuellen Karrierenforum nicht fremd sind. Es diskutierten: Gerlinde Pascher, geschäftsführende Gesellschafterin von MP2 IT-Solutions mit Standorten in Wien und Weitra (NÖ), Kommerzialrätin Sonja Zwazl, Präsidentin und Bundesrätin der Wirtschaftskammer Niederösterreich, Christian Edinger, Inhaber und Geschäftsführer des Friseursalons Edinger h.schnitt in Linz, Margit Bencic, Leiterin der Personal- und Organisationsentwicklung der BWG-OÖ Bauwirtschaftsförderung, Irene Mandl von der KMU Forschung Austria, Peter Haferl, Business Unit Manager OTC bei Nycomed Austria, und Monika Strasser, Geschäftsführerin der Knewledge-Initiative zur Förderung und Entwicklung des Lebenslangen Lernens, die den gleichlautenden Staatspreis des Wirtschaftsministeriums organisiert sowie den Knewledge-Dialog "Hidden Champions" ins Leben gerufen hat (Lebenslanges Lernen in Klein- und Mittelbetrieben).

Keine Muffel

Als Weiterbildungsmuffel möchte Sonja Zwazl die KMUs nicht sehen. Die Begrifflichkeit der KMUs – an diesem Punkt schlossen sich alle Diskutanten an – sei zu groß gefasst. Schließlich zählen rund 86 Prozent aller Betriebe nur bis zu zehn Mitarbeitern. Auch daran müssten sich die Weiterbildungsangebote orientieren, sagt sie. Entsprechend müsste sich die Angebotspalette konfigurieren, man müsse die Menschen dort abholen, wo sie zurzeit stehen. Vor allem in KMUs müssen die Angebote dergestalt klar konturiert sein und einfach passen, schließt sich Irene Mandl an. Der "gute Handwerker, aber skandalöse Geschäftsmann", schließt sich Margit Bencic an, "ist noch zu weit verbreitet." Sie selbst leitet die Personal- und Organisationsentwicklung von 33 – im weitesten Sinne – Baufirmen, die sich in diesem Bereich zusammengeschlossen haben und in dieser Form auf eine professionell organisierte "Plattform" zurückgreifen können. Eine von vielen Lösungsmöglichkeiten, mit denen KMUs aus der Weiterbildungsmisere, die die teilnehmenden Diskutanten als Teil der Personalentwicklung verstanden haben möchten, geführt werden können.

Seminar-Center

Christian Edinger hat als begabter Friseur im Alter von 25 Jahren einen Laden eröffnet. "Mein BWL-Wissen lag bei null", sagt er. Sich selbst weiterzubilden habe er aber stets als Maxime gesehen, weil nur so Weiterentwicklung und Innovation möglich seien, so Edinger, der 1994 auf eigene Faust ein Seminar-Center eröffnete, in dem er auch Mitarbeitern anderer Friseurbetriebe Weiterbildung anbietet. Zunächst stieß das auf Ablehnung – nur wenige der "Konkurrenten" konnten sich vorstellen, daraus gemeinsamen Nutzen ziehen zu können. "Mir ging es auch darum, die Unternehmer zur Weiterbildung zu motivieren", so Edinger weiter.

Was die Kosten für Weiterbildung betreffe, habe man intern ein System gefunden, das sich als höchst erfolgreich herausgestellt habe: Nach der sorgfältigen Auswahl beispielsweise eines Kurses werde ein Mitarbeiter zum Seminar geschickt, der in der Folge einen Vortrag vor den Kollegen zu halten habe. Mit zwei Vorteilen, so Edinger: Der oder die zum Seminar Entsandte müsse einerseits besser aufpassen, grinst er, und lerne andererseits, vor Publikum vorzutragen. Der Lern-Transfer sei dadurch flüssiger. Und, schließt sich Gertraud Pascher an, Weiterbildung sei dergestalt auch institutionalisiert. Ein immanenter Punkt, wie sie sagt, der auch dem Mitarbeiter-Engagement zuträglich sei, einmal ganz abgesehen davon, dass Weiterbildungsinitiativen grundsätzlich immer von den Führungskräften vorgelebt werden müssten. Das Bewusstsein müsse bei den Führungskräften vorhanden sein, sonst funktioniere keine Personalentwicklung, schließt sich Strasser an. Auch oder vor allem in Kleinststrukturen. Auch sei das Lebenslange Lernen und das permanente Lernen am Arbeitsplatz noch zu wenig anerkannt, ergänzt Mandl.

Fehler als Lernquellen

Überhaupt müsse das Thema bei KMUs etwas weiter gefasst werden, ist Bencic überzeugt. "Aus einer richtig verstandene Fehlerkultur heraus zum Beispiel, einer, die Fehler auch als Lernquellen versteht, können auch Kosten gespart werden. Es muss ja nicht immer der Kurs oder das Seminar sein", sagt sie. Grundsätzlich müsse man einerseits KMUs auch als Innovationsträger mehr anerkennen und wiederum auch viel klarer darstellen, dass man ohne Weiterbildung weder innovativ sein noch seine Preise halten könne, sagt Christian Edinger.

Peter Haferl würde sich eine Stärkung des KMU-Netzwerks wünschen, um gemeinsam an einer Verbesserung der Kultur in einer Branche zu arbeiten, diese auch weiterentwickeln zu können. "Man muss den Kuchen einfach groß backen, um sich dann Stücke davon nehmen zu können", sagt er. Es mache keinen Sinn, sich um ein kleines Stück zu streiten. Das Alleinstellungsmerkmal eines Unternehmens und die Kommunikation dessen werde im Wettbewerb tragen. Innerhalb der IT-Branche müsse besser kommuniziert werden, warum das eigene Unternehmen sich von den Kompetenzen derer in den Kinderzimmern abheben, grinst er. Zweifellos steige das Geschäftsrisiko, schließt sich Gertraud Pascher an, wenn die Weiterbildung und das Engagement dafür sinke.

Innovation, schließt Monika Strasser, habe mit Weiterbildung zu tun, und eigentlich passieren die meisten in den KMUs, sagt sie. Viel öfter müsse man sich in Unternehmen die Frage stellen, was zu tun ist, um Innovation zu fördern. Eine Qualitätsdiskussion, die in Österreich noch viel stärker geführt werden sollte. Es sei ein Anliegen der Knewledge-Initiative, ein breites Netzwerk aus qualitativ hochwertigen Informationsquellen anzubieten, dass es möglich mache, Wissen zu sammeln und auf die entsprechenden Bedürfnisse hin zu adaptieren. (haa, DER STANDARD print, 3./4.3.2007)